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Das Kind der Priesterin

Das Kind der Priesterin

Titel: Das Kind der Priesterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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Kampfhähne genügend übereinander, um selbst festzustellen, daß jeder das hatte, was dem anderen fehlte … und daß ich alles hatte, wenn sie zusammen waren, nämlich die Intelligenz und den Zugang zu Daten eines hervorragend programmierten Computers und den intakten, sozialisierten Körper eines liebenswerterweise friedfertigen Menschen. Sie wurden die engsten, ungewöhnlichsten Freunde: zwei nicht zueinander passende Fremde, die aus unterschiedlichen Gründen niemals richtig gelebt hatten – und jetzt die Möglichkeit haben wollten, ihre Flügel in der Freiheit auszuprobieren. Und als meine eigene Persönlichkeit sich durchzusetzen begann und meine Realität mich fesselte, da wollte ich leben, in einem tieferen und umfassenderen Sinn des Wortes.
    Die Forscher jedoch konnten sich mit keiner dieser philosophischen Spitzfindigkeiten anfreunden, auch nicht mit meinem Sinn für Identität. Meine Tage waren offiziell gezählt, und gefangen in dem Gefängnis, das eine Regierungseinrichtung der höchsten Geheimhaltungsstufe ist, konnte ich kaum etwas dagegen machen. Aber ich (wir) hatte(n) ja ein außergewöhnliches Talent, und in der Nacht vor meiner Hinrichtung, als sie sogar soweit gegangen waren, mich dem „überlegenen Verstand“ vorzustellen, diesem gemeinen und blutrünstigen Fanatiker, der an Yarrows Stelle rücken sollte, entschloß ich mich, dieses Talent einzusetzen. Michael Yarrow führte ein Telefongespräch …
    „Wie konnte ein einzelner, auch wenn er besonders ausgerüstet war, überhaupt in das amerikanische Verteidigungsnetz eindringen und es zerstören – und dann damit auch noch davonkommen, Yarrow?“ wollte Ntebe von mir wissen.
    Ich war für einen Moment still, sah den tanzenden Touristen zu und dem Regen, der von meinem Anzug abperlte, bemüht, mir darüber klar zu werden, ob ich meine Lebensgeschichte vielleicht laut berichtet hatte.
    „Erzählen Sie mir nicht, daß es sich dabei um ein Berufsgeheimnis von Verrätern handelt“, meinte Kraus.
    Ich entgegnete ihm mit einer giftigen Bemerkung auf arabisch, bevor ich Ntebe ansah – und aus den Augenwinkeln heraus Hana. „Es war ein Unfall, und das können Sie glauben oder nicht. Ich bin in Big Brother eingedrungen, weil ich aus dem Forschungszentrum herauswollte, und seine Datensicherheit war Teil des Überwachungssystems. Es ist mir einfach zu gut gelungen. Es handelt sich dabei um das komplizierteste Betriebssystem auf der Erde, zugleich um eines der empfindlichsten … Big Brother bekam einen Nervenzusammenbruch.“ Ich mußte an den geistigen Schock denken, den die Rückkoppelung mir versetzt hatte; im Vergleich zu dem, den die Regierung bekam, war er allerdings kaum der Rede wert … „Es wurde behauptet, es hätte sich um einen Abwehrmechanismus gegen Fälschung und Sabotage gehandelt, aber das glaube ich nicht. Big Brother hatte ein Empfindungsvermögen bekommen, ein Bewußtsein, als er mit meinem Verstand in Kontakt kam; ohne es zu wollen, speiste ich ihm meine eigenen Ängste und meinen Verfolgungswahn ein und machte ihn paranoid. Ohne es überhaupt versucht zu haben, hatte ich ihn wahnsinnig gemacht.“
    „Wie ein Brander“, sagte Hana.
    „Wie was?“ forschte ich leicht gekränkt. Ich konnte lediglich obszönen Slang aus einem historischen Roman beisteuern, den ich früher einmal gelesen hatte.
    „Wie ein brennendes Schiff, das an die feindliche Flotte herangebracht wird, um sie in Brand zu setzen. Ihre Zusammenschaltung mit dem Computer war das Schiff, und Ihre Empfindungen das Feuer.“
    „Unter dem Aspekt habe ich das nie betrachtet …“ Der Vergleich gefiel mir.
    „Stellt euch mal vor …“ wandte sie sich an die anderen. „Die modernen Systeme sind derart feinfühlig, daß sie direkt beeinflußt werden können, genau wie ein menschlicher Verstand. Und er hat die Fähigkeit, in sie einzudringen und physisch und geistig etwas ganz Neues daraus zu machen.“
    Ntebe betrachtete mich mit neuem Interesse. „Im Grunde könnten Sie also sämtliche Systeme auf der Erde zu einem Endgültigen Computer vereinigen …“
    „Ich denke schon“, erwiderte ich und fragte mich, wie interessiert sie eigentlich waren. „Aber Sie wissen ja, was mit Baron von Frankenstein passiert ist.“ Diese kumpelhafte Unterhaltung, fand ich, mußte bedeuten, daß ich ihr Herz gewonnen hatte. Regen prasselte auf meinen Helm; ein paar Gäste sangen lauthals vor uns „Auld Lang Syne“. Ich sagte leise: „Nur … äh, worum handelt es sich

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