Das Kind der Priesterin
Telefon zu. „Ich lasse Ihnen jetzt das Geld auszahlen, Mr. Ring …“
Immerhin funktionierte ich noch soweit, daß ich mir einen leichten Schlag auf den Kopf versetzte und die Tonsequenz aufzeichnete. Diesmal waren es mehr Ziffern; er setzte sich tatsächlich mit dem Computer in Verbindung. Die Tatsache, daß ich meine ursprüngliche Mission erfüllt hatte, machte keinerlei Eindruck auf mich; ich erhob mich wie ein Schlafwandler.
Salad beendete die Kodesequenz und legte den Hörer auf. Über den Tisch hinweg wandte er sich wieder an mich. „Vielen Dank für Ihre Bereitschaft, mit uns zusammenzuarbeiten, Mr. Ring. Ich weiß, daß Mr. Kabir sehr dankbar sein wird.“ Er streckte mir die Hand hin.
Zu benommen, um erstaunt zu sein, gab ich ihm meine, und wir schüttelten sie.
Ich mag Yarrow, ich mag ihn wirklich; er ist für mich wie ein Bruder … Allerdings ist es leider so, wenn jemand seine Hand quetscht, dann bin ich es, der am liebsten schreien würde.
Auf der leeren Garderobe lag eine kurze, rätselhafte Notiz, als ich in mein Zimmer zurückkam, die von Hana unterschrieben war und eine andere Zimmernummer angab. Ich nahm an, sie wollte mich dadurch auffordern, mich in einem anderen Zimmer zu ihnen zu gesellen, doch ich streckte mich statt dessen auf dem Bett aus und steckte meine sich langsam verfärbende Hand in den Kühlschrank. Auf der verzweifelten Suche nach ein klein wenig Normalität, die mir helfen würde, mich zu konzentrieren, stellte ich den Fernsehapparat an; ein lächelnder Ansager erklärte mir fröhlich: „Schließlich ist es Ihre Beerdigung …“
Verdammte Unterhaltungssendungen. Ich wechselte wütend den Kanal und versuchte, über die Falle nachzudenken, in der ich mich befand. Doch kein Teil von mir konnte mit einer Antwort aufwarten, die den Rest zufriedengestellt hätte: ETHANAC war sicher, der logische Pfad zur Rettung würde über das Aufbröseln und erneute Zusammensetzen der schrecklichen Verwicklungen führen … Yarrow wollte einfach alles Hana Takhashi gestehen und unser Leben trotz ihrer erkennbar oberflächlichen Einstellung ihm gegenüber in ihre Hände legen … Und ich? Ich war damit beschäftigt, mich über die Tatsache zu ärgern, daß kein Mensch im gesamten Sonnensystem, Hana eingeschlossen, zugestehen wollte, daß Ethan Ring eine Realität besaß – vom Recht auf Leben ganz zu schweigen. Verdammt noch mal! Ich konnte es mir nicht leisten aufzugeben, ich konnte es mir nicht leisten, irgend jemandem außer mir selber zu vertrauen …
Es klopfte an der Tür. „Hereinspaziert“, sagte ich mürrisch; „schließen Sie sich der Menge an“, denn im Grunde erwartete ich die nächste Erpresserbande.
„Es nützt überhaupt nichts, wenn Sie sich in Ihrem Zimmer verstecken.“ Aber es war nur Hana. Nur. Und allein. „Was treiben Sie?“ wollte sie wissen und knipste das Licht an, das ich noch gar nicht vermißt hatte.
Wird es schon dunkel? Du meine Güte! „Ich habe gerade einen kleinen Nervenzusammenbruch.“ Ich setzte mich erschöpft auf.
„Kommen Sie …“ Sie lächelte, als wollte sie mich dazu bringen, meinen Spinat zu essen. „Es tut überhaupt nicht weh.“
Oh, Lady, wenn du wüßtest. Ich stellte sie mir in den Händen des Marquis de Salad vor. Doch dann sah ich mich in seinen Händen … Ich nahm die Hand, die sich dort schon befunden hatte, aus dem Kühlschrank und betrachtete sie nachdenklich.
„Mein Gott, was haben Sie mit Ihrer Hand gemacht, Yarrow?“ Sie kam durch das Zimmer und strahlte förmlich vor plötzlicher Sorge.
„Ich habe damit gar nichts gemacht. Ich … habe sie in einer automatischen Tür eingeklemmt.“
„Das ist ja schrecklich.“ Sie strich mit warmen Fingern vorsichtig über die Wunde, und ich war nicht sicher, ob sie schrecklich fand, was passiert war, oder wie die Hand aussah. „Weiß die Geschäftsleitung davon?“
„Die weiß Bescheid“, sagte ich. „Glauben Sie mir, die weiß Bescheid.“
„Sie haben heute wirklich kein Glück gehabt, was?“ Sie sah mich mit diesem reumütigen Lächeln an. Ich wandte den Blick davon ab; doch die seidene Bluse mit den Lotusblüten half auch nicht weiter, aufgeknöpft bis hinunter …
„Sie haben ja keine Ahnung.“ Ich stand abrupt auf und ging quer durchs Zimmer zum Fenster. Die Eisschicht schmolz immer noch von den Dachkanten des Xanadu; silbrige Tropfen blitzten flüchtig auf, wenn sie durch den Lichtschein des Fensters stürzten und sich von der zunehmenden Düsternis
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