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Das Kind der Priesterin

Das Kind der Priesterin

Titel: Das Kind der Priesterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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Unglaubliche war, daß das sogar der Wahrheit entsprach.
    „Erwarten Sie, daß wir das glauben?“ fragte Kraus kühl. „Kein Mensch hätte derart schnell in das System einbrechen können. Für wie blöde halten Sie uns eigentlich?“
    „Ich hoffe, du erwartest nicht, daß er darauf antwortet.“ Hana nippte an ihrem Glas.
    Ntebe machte ein ehrfürchtiges Gesicht. „Du sprichst mit einem computerisierten Fassadenkletterer, Basil, nicht einfach nur mit einem menschlichen Wesen. Wenn das, was in der Literatur gemunkelt wird, wahr ist, dann kann der ETHANAC 500 fünfhundert Milliarden maschinelle Operationen pro Sekunde leisten. Er ist als Alptraum eines jeden Sicherheitsbeauftragten entwickelt worden … Was haben Sie also herausgefunden?“ Er sah mich wieder an, und zwar mit dem ganzen erwartungsvollen Vertrauen, das man normalerweise in Gott hat.
    Ich ging als Mensch durch. Und Ethan Ring, der elektronische Judas, begann sie mit Lügen zu füttern.
     
    Wir gingen sehr zivilisiert gemeinsam mit der abendlichen Menge zum Dinner hinunter, darauf wartend, daß das Kasino sich wieder füllen würde, das Unausweichliche vor uns herschiebend. Ich mußte etwas gegessen haben, denn ich fand mich vor einem leeren Teller sitzen, auf dem ein leerer Fleischspieß anklagend auf mein Herz zielte. Ich mußte auch eine Unterhaltung geführt haben, Gott weiß, wie; ich konnte mich an kein Wort davon erinnern.
    Weil sie darauf hereingefallen waren, wie Einwohner von Illinois, die hastig zugreifen, wenn ihnen ein unerschlossenes Grundstück in Lagrange angeboten wird. Sie hatten den ganzen unwahrscheinlichen Brocken geschluckt. Und hier saßen sie nun, bereit, in Salads Büro zu schleichen, wenn er nicht drin war – ohne eine Spur von Angst, Schande über ihre ehrlosen Seelen. Und warum sollten sie mir nicht vertrauen, da meine Sicherheit doch von ihrem Erfolg abhing. Und von ihrem Mißerfolg … Meine Gedanken drehten sich im Kreis, wie in einer Schlinge gefangen. Es mußte eine Antwort geben. Es mußte. Aber die Verarbeitung der Daten, die ich aus dem Kasinocomputer gefischt hatte, hatte mir auch nicht auf die Sprünge geholfen …
    Mir fiel durchaus nichts ein, was mich und die Spitzel-AG im selben Zustand aus der Sache herausgebracht hätte, in dem wir in sie hineingeraten waren. Selbst wenn ich mich ihrer Gnade auslieferte und sie zustimmen würden, mich nicht zu verraten, bezweifelte ich, daß ich jemals unbemerkt vom Olympus Mons herunterkommen würde. Und wenn ich mit dem Betrug an ihnen fortfuhr, bezweifelte ich nicht, daß ihre Freunde schon darauf warteten, mir zur Strafe Handschellen anlegen zu lassen. Und hatte Hana mit dem hilflosen Opfer nur ihr Spielchen getrieben, da oben in meinem Zimmer, oder meinte sie wirklich, was zu sagen ich ihr nicht die Möglichkeit gegeben hatte …? Ich war nicht in der Lage, das zu entscheiden, und auch nicht einmal sicher, ob es überhaupt eine Rolle spielte. Weil ich die intelligenteste, geistreichste, schönste Frau zweier Welten nicht dem Moloch ausliefern konnte: „Hana, ich …“
    Drei stämmige Kerle, offenbar in Anzüge aus Sackleinen gekleidet, starrten mich unverwandt an, als sie an unserem Tisch vorbeigingen. Ich duckte mich unterwürfig, weil ich sie für Salads Leute hielt, bis mir auf einmal die Erleuchtung kam, daß kein Rausschmeißer mit Selbstachtung sich so anziehen würde. Ich hörte Hana etwas von „Veggies“ sagen, und mir fiel ein, daß es sich um Mitglieder der Liga zur Erhaltung der Vegetation handeln mußte, einer weithin verachteten Naturschutzgruppe mit Sitz auf der Erde. Ich sah sie durch ein Meer von ockergelber Tischwäsche auf die Herrentoilette zusteuern und stellte fest, daß ihre ungeschlachte Erscheinung teilweise auf ihre frische Ankunft von der Erde, auf den Mangel an Anpassung an die geringere Schwerkraft auf dem Mars zurückzuführen war.
    Ich empfand auf einmal meine eigene Entfremdung wieder, durch mein Schicksal von der grellen Normalität des Raumes und den glücklichen, vergeßlichen Touristen rings um mich her abgeschnitten … Touristen. Natürlich. Natürlich! „Entschuldigung.“ Ich schob geräuschvoll meinen Stuhl zurück und kam stolpernd auf die Beine. „Toilette …“
    Als ich den Tisch verließ, hörte ich Kraus murmeln: „Man könnte meinen, er hätte den Gral gesehen.“
    In der Halle, die zu meiner Rettung führte, stand ein Telefon. Ich schob meine Karte in den Schlitz und tätigte einen raschen Anruf, bevor ich durch

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