Das Kind der Priesterin
…“
Er atmete tief durch. „Dein Preiscomputer hat diese verdammten Veggies auf uns gehetzt, als er auf der Toilette war. Sie haben uns der üblen Nachrede beschuldigt! … Was hast du ihnen erzählt, Yarrow? Was hast du geschagt?“ Mit einer dicken Lippe war er zu korrekter Aussprache kaum in der Lage.
Ich behielt ein ernstes Gesicht. „Wir haben uns einfach nur über Melonen unterhalten.“ Dies in dem Bewußtsein, was auch geschah, zumindest würde ich immer die Befriedigung besitzen, sie gerettet und zugleich mit ihnen abgerechnet zu haben.
Er kam, auf einmal sehr ruhig, auf mich zu; und während ich dastand und mich fragte, was er wohl vorhaben mochte, zerrte er mir ETHANAC vom Gürtel ab und zog dabei den Stecker aus meiner Wirbelsäule.
Noch nie zuvor war der Kontakt derart abrupt unterbrochen worden. Ich schwankte, sah funkelnde Perserteppiche vor mir und setzte mich hart auf den Fußboden …
Den Kopf schüttelnd, blickte ich zu Kraus’ selbstgefälligem Papageiengesicht auf – und mochte ihn ebensowenig wie Ring. Er stand schadenfroh über mir und sah aus wie einer der Schurken in einem Rittercomic. ETHANAC baumelte in seiner Hand. Ich griff danach, aber er zuckte, immer noch lächelnd, zurück, während die anderen nur dastanden und ein dummes Gesicht machten.
Ich lehnte mich angewidert zurück. „Kraus, warum steckst du dir nicht deine Nase ins Ohr und schnaubst dir den Bregen raus?“ Hanas Mund zuckte.
Er bekam ein rotes Gesicht, aber er hatte immer noch alle Trümpfe gegen mich in der Hand – und wußte es. Er schwang ETHANAC wie einen Gummischlauch herum. „Sie haben diese Wahnsinnigen auf uns gehetzt, damit wir unseren Plan nicht ausführen konnten. Geben Sie es zu!“
Ich krümmte mich, zog die Knie hoch und fühlte mich, als hätte er mir die Hose statt des Gehirns gestohlen. Vielleicht, weil das bei dieser Bande dasselbe war. Ich kam mir nackt vor, als Hana mich ansah. „Okay“, meinte ich achselzuckend. „Ich gebe es zu. Verklagen Sie mich also.“
„Wir werden noch viel mehr tun, wenn wir an diesen Anschluß nicht herankommen …“ erwiderte Ntebe. Er ballte die Hand zur Faust.
„Aber warum?“ wandte Hana sich mit gerunzelter Stirn an ihn, brachte das Stirnrunzeln aber mit, als sie sich mir wieder zuwandte. „Warum sollte er? Es hat einen Grund gegeben, stimmt’s? Es muß einen Grund gegeben haben, Yarrow …“ Ihre Stimme hatte einen beinahe beschwörenden Klang.
Ich lächelte. „Endlich haben Sie meinen Namen begriffen.“
Sie blickte mich verständnislos an.
Kraus riß ETHANACS Kasten auf; er fing an, wie ein Affe, der nach einer Banane sucht, darin herumzufummeln. „Wenn Hana wissen will, warum, Yarrow, dann werden Sie es ihr sagen …“
„Verdammt noch mal, hören Sie auf, an dem Zeug herumzufingern! So eine Kunstniere ist ja nicht gerade billig.“ Mir hing es allmählich zum Hals heraus, in seinen Heldenphantasien auf der falschen Seite zu stehen.
„Oh, hör auf, Basil.“ Hana schlug den Kasten zu und hätte ihm dabei beinahe die Finger eingeklemmt. „Mach niemals etwas kaputt, wenn du nicht sicher bist, ob du es hinterher nicht bereust … So, und jetzt zu dem Grund.“ Sie griff sich an ihr blaues Auge.
Ich schüttelte den Kopf und starrte sie an. „Wann werdet ihr endlich einmal begreifen, daß ihr mich nicht an den Daumen aufzuhängen braucht, um meine Mitarbeit zu gewinnen? Ich will sagen, hat euch niemand beigebracht, daß ‚bitte’ das Zauberwort ist? Natürlich gab es einen Grund!“ Ich erzählte ihn ihnen, einschließlich der Daumenschrauben und des Handschlags und des Restes. „Ihr solltet verdammt froh sein, daß Ring sich etwas hat einfallen lassen, ihr lausigen Undankbaren. Salad hatte euch nämlich von Anfang an durchschaut.“
„Und wenn Ihnen nichts eingefallen wäre, dann wären Sie nach Plan vorgegangen und hätten uns diesem Sadisten ausgeliefert?“ Hana machte ein grimmiges Gesicht.
„Ihr wart doch nur allzu bereit, mit mir dasselbe zu machen, und zwar mit weitaus weniger Grund!“ Ich stand auf, mich wie ein Kabel unter Hochspannung fühlend. „Ihr habt vielleicht Nerven, will ich euch mal sagen, rennt in der realen Welt herum und tut so, als wüßtet ihr, was ihr tut. Tretet meine Leben herum, als wären sie eine Art Fußball. Die Spitzel-AG sollte euch in einen Elfenbeinturm sperren und den Schlüssel wegschmeißen!“ Ich holte tief Luft. „Ich will euch mal etwas über Schmerz erzählen. Schmerz tut weh!“
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