Das Kind der Priesterin
waren.“
Der Erzbischof erstarrte. „Wollt Ihr damit sagen, daß sie nicht im Recht ist?“
„Nicht im geringsten.“ Die Kirche hatte Scheidungen verboten, und die Pflicht stand weit über dem Vergnügen. Das Ergebnis war, daß kinderlose Ehepaare sich in formellen Liebschaften einen Erben suchten, doch die der Königin waren weit entfernt davon. „Wie Ihr wißt, haben wir geheiratet, als ich sechzehn war, und in all den Jahren seither hat sie kein Kind geboren. Wenn ich ihr schon keins geben konnte, so hätte ich doch gern das eines anderen gehabt. Aber sie ist zehn Jahre älter als ich – offen gesagt, Bischof, ich habe die Hoffnung fast aufgegeben.“ Daß ich auch die Versuche aufgegeben hatte, fügte ich nicht hinzu – unsere Heirat war arrangiert worden, um Uneinigkeiten beizulegen, es war nie eine Liebesverbindung gewesen. „Diese Frau gefällt mir, und ich brauche einen Erben. Ihr Glaube wird auf ihre Fähigkeit, Kinder zu gebären, keine Auswirkungen haben.“
„Aber sie ist nicht von edler Herkunft …“
„Sie ist keine gebürtige Shappistre, meint Ihr? Ihr tätet gut daran, Euch um die heiligen Schriften und das Gesetz zu kümmern, Bischof. Das Verhältnis zwischen Kirche und Staat ist ein zweischneidiges Schwert – gebt acht, daß Ihr Euch daran nicht schneidet.“
Wieder verneigte er sich tief, und sein kahler Kopf war so rot wie seine juwelenbesetzte Kappe. „Majestät …“ Er warf plötzlich einen Blick auf Etaa und klatschte in die Hände. Etaa, die wieder ins Feuer starrte, fuhr sichtlich zusammen und drehte sich um. Ein triumphierendes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Sie kann hören! Ich muß verlangen daß Eure Majestät so bald wie möglich ihre Hörkraft zerstören lassen … wie es die Schriften verlangen – und das Gesetz! Seine Hände bewegten sich sorgfältig bei der gewöhnlichen Zeichensprache.
Ich ballte meine Fäuste über einer ärgerlichen Erwiderung; dann antwortete ich gleichmütig, ebenfalls durch Handzeichen, Sie ist eine Fremde. Solange sie unter meinem Schutz steht, ist sie weder der Religion noch dem Gesetz von Tramaine Untertan. Und nun gute Nacht, Erzbischof. Ich bin sehr erschöpft nach meiner langen Reise. Ich verschränkte die Arme.
Ohne ein weiteres Wort drehte sich mein Erzbischof um und verließ den Raum.
Ich gesellte mich zu Etaa ans Feuer, spürte, wie sie sich zurückzog, als ich mich setzte, und fragte, ob sie uns verstanden hätte.
Ein Blick voller Elend traf mich für einen kurzen Augenblick und schmerzte mich; sie signalisierte, Er würde mir weh tun. Er fürchtet sich vor den Segnungen der Mutter.
Ich nickte und erinnerte sie daran, daß ihre ‚Segnungen’ hier als Sünden betrachtet wurden, und versicherte ihr erneut, daß ihr nichts geschehen würde, solange sie unter meinem Schutz stand. Sag mir, Etaa, was hältst du vom Erzbischof? Er ist der Hohe Priester meines Volkes.
Er mag dich nicht.
Ich brach in erstauntes Lachen aus.
Und der ist als Priester ein armer Mann, der nicht die Seele einer anderen Kreatur erfüllen kann. Den zweiten Blick verleugnen heißt, seine Götter verleugnen.
Aber die Götter sagen doch, daß sie es so haben wollen!
Dann sind es falsche Götter, und sie lieben euch nicht.
Dann sind es falsche Götter … Ich sah einen langen Augenblick zu, wie die Flammen die Dunkelheit verzehrten. Aber sie sind hier, Etaa, und sehr mächtig, genau wie ihre Kirche. Der Erzbischof würde dich gern als Hexe brennen sehen, so, wie fast jeder hier. Trotzdem glaube ich mit dir, daß Hören ein Segen ist – und das will ich teilen. Du wirst meinen Kindern den ‚zweiten Blick’ geben. Und du kannst ihn mir geben.
Von jetzt an, wo immer wir sein mögen, sollst du mir sofort Bescheid sagen, wenn du jemanden in meine Nähe kommen hörst. Es ist weder in diesen noch in anderen Zeiten leicht, König zu sein. Ich brauche deine Hilfe … und du brauchst meine. Wenn mir etwas zustoßen sollte, gibt es niemanden, der dich beschützen wird. Du wirst bei lebendigem Leib verbrannt werden und schreckliche Todesqualen leiden, und deine Seele wäre deiner Göttin für immer verloren. Verstehst du mich? Daß sie alles verstanden hatte, sah ich an den Veränderungen in ihrem Gesicht. Sie nickte langsam, ihre Hände preßten sich gegen das steife, goldbestickte Gewand über ihrem Bauch.
Ohne zu denken und irgendwie beschämt langte ich nach ihr in einer beruhigenden Bewegung, doch nur um zu spüren, daß sie unter meiner Berührung
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