Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kind der Priesterin

Das Kind der Priesterin

Titel: Das Kind der Priesterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
Vom Netzwerk:
ungeschehen machen, auch nicht hoffen, die Bitternis zu ändern, die ich in ihrem Herzen verursacht hatte.
    Sie schlief tief in den nächsten Tag hinein, einen Schlaf der Erschöpfung; als ich aber in mein Gemach zurückkam, nachdem ich alles für unseren Aufbruch vorbereitet hatte, saß sie angetan mit ihren Lumpen wartend da. Sie sah aus, als hätte sie überhaupt nicht geschlafen oder als hätte sie sich beim Erwachen in einem neuen Alptraum wiedergefunden. Dennoch hob sie die Hände und formte die ersten Worte, die ich bei ihr gesehen hatte, seltsam betont. Wirst du mich jetzt gehen lassen?
    Ich brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, daß sie annahm, ich hätte das alles nur wegen des Vergnügens einer Nacht getan.
    Nein; ich nehme dich mit mir nach Newham.
    Was willst du von mir? Ihre Hände zitterten leicht.
    Ich schob meine neuen Gläser höher auf die Nase. Ich will ein Kind von dir.
    Sie preßte die Hände gegen ihren Bauch in einer merkwürdig furchtsamen Bewegung, dann formte sie eine Reihe von Wörtern, die keine Bedeutung für mich hatten. Ich vermutete, daß sie mich in ihrer eigenen Sprache anflehte.
    Ich schüttelte den Kopf und signalisierte geduldig: Du sollst mir Söhne gebären. Ich will deine … deine ‚Segnungen’ für sie. Sie werden Prinzen sein, Erben des Throns von Tramaine. Sie werden in einer Pracht leben, die du dir nicht vorstellen kannst – du wirst das auch, wenn du mir gehorchst.
    Sie drehte sich hoffnungslos hinweg und starrte aus dem Fensterschlitz. Ich konnte die Hügelkette sehen, die uns von den Kedonnyern trennte, graues Land, das im silbernen Regen in grauen Himmel überging.
    Ich klatschte, und sie sah mich wieder an. Wie ist dein Zeichen, Priester in?
    Etaa.
    Die Dienerin wird dir neue Kleider bringen, Etaa. Meine Hände verfingen sich bei dem ungewohnten Wort. Wir brechen noch in dieser Stunde auf.
     
     
    Wir kehrten in den Palast von Newham zurück, weil das Weitermarschieren nur einen neuen Zwischenfall möglich gemacht hätte. Unsere Rückreise dauerte mehrere Tage, weil mein Wagen meines Gefolges wegen langsamer fahren mußte als gewöhnlich. Immerhin kamen wir endlich aus dem Regen heraus, und wenn auch die Straßen schlammig waren, so erfüllten mich das frische, hügelige Grün der Landschaft, die fruchtbaren Felder und die bunten Haine mit Stolz. Cyclops, undeutlich zu sehen und von den Bauern Gottesauge genannt, vereinte sein streifiges Grün mit dem Grün der Erde, und an seiner Seite konnte ich den halbvollen, äußeren Mond sehen, bleich neben all der Pracht. Auf dem äußeren Mond gab es weiße Wirbel, von denen der Hofastronom sagte, daß es Wolken seien, wie die auf der Erde. Als ich jünger war, hatte ich daran gedacht, meinen Götterwagen zu nehmen und hinaufzufliegen, um nachzusehen, man hatte mir auch erzählt, daß einst Menschen dort gelebt hätten. Die Götter sagten aber, daß die Luft dünner werde, je höher man steige, und warnten mich, daß ich bei einem Versuch ersticken würde. Ich versuchte es trotzdem und stellte fest, daß sie recht hatten.
    Die kedonnysche Frau nahm das Fliegen ohne den Schrecken hin, den ich erwartet hatte; sie fragte nur, Wie macht der Wagen das?
    Die Götter geben ihm die Kraft. Als sie auf die Erde zurückkehrten, schenkten sie ihn meinem Großvater.
    Es gibt keine Götter, es gibt nur eine Göttin. Eine winzige Herausforderung lag auf ihrem Gesicht.
    Ich warf einen kurzen Blick in das vordere Abteil, wo mein Lenker sich um den Flug kümmerte. Ich stimme zu, es gibt keine Götter. Aber sag das nie wieder, Priesterin, denn du weißt gut genug, was mit Ketzern geschieht. Du stehst zwar unter meinem Schutz, aber mein Erzbischof wird keine Heiden am Hofe willkommen heißen.
    Mit stiller Resignation lehnte sie sich in die Samtkissen zurück, eingeengt und fremd in dem steifen Brokatgewand und ihrem bescheidenen Kopfschmuck. Kleine, silberne Glöckchen in Blütenform baumelten an dünnen Drähten, die ihre Ohren durchbohrten; ununterbrochen spielte sie damit. Manchmal lächelte sie beinahe dabei, und ihre Augen schweiften ins Nichts.
    Als ich sie beobachtete, kam mir das Bild eines erbarmungswürdigen, wilden Kindes in den Sinn, das ich als Junge auf dem Jahrmarkt in einem Käfig gesehen hatte. Die Kharks hatten menschliche Kinder gestohlen und als ihre eigenen aufgezogen, bis die Götter erschienen und die Kharks vernichteten. Die wilden Menschen konnten sich nie mehr an ein normales Leben gewöhnen, und ich hatte

Weitere Kostenlose Bücher