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Das Kind der Priesterin

Das Kind der Priesterin

Titel: Das Kind der Priesterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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forderte sie zum Gehen auf. Ihre Gesichter spiegelten Überraschung, dann Einverständnis und eine Spur von Verärgerung, als sie an Etaa vorbeigingen und uns allein ließen. Etaa ging an das Schrägpult und blickte voller Ehrfurcht auf die glatten, zeitlosen Seiten der aufgeschlagenen Bücher. Und dann erfuhr ich wieder etwas Neues über die barbarischen Kedonnyer – daß nämlich ihre Priesterin die gedruckten Texte der alten Sprache ebensogut lesen konnte wie ein Mitglied unseres eigenen Priesterstandes.
    Und so kam es, daß ich sie, die ich anfangs nur aus einem gewissen aufdringlichen Stolz und weil ich sie als Wächterin schätzte, mitgenommen hatte, jetzt mitnahm, weil ich ihre Ansichten hören wollte. Das Gerücht über die Heidin, die die heiligen Bücher las, gelangte schnell bis zum Erzbischof, und als er erschien, um sich zu beschweren, mußte ich ihn scharf daran erinnern, daß er zu seinem König sprach. Ich glaube, trotz seiner Gier nach persönlicher Macht hing er gläubig an den Lehrsätzen der Kirche und an ihren Göttern. Er war überzeugt, daß ich Gotteslästerung trieb, da aber ein Gott alles erlaubt hatte, konnte er nichts unternehmen, um mich aufzuhalten. So ging meine Überlegung, dennoch wußte ich ganz gut, daß er alles tun würde, um an die Königswürde zu gelangen – zum Wohl seiner Familie und zur Förderung der kirchlichen Macht.
    Während die dunklen Herbstnachmittage sich langsam in die hellen, schneegeblendeten Tage eines rechten Winters verwandelten, nahm ich Etaa auch weiterhin mit, um die Bücher zu studieren und um sie als Wächterin und Gefährtin an meiner Seite zu haben, wann immer sich die Gelegenheit dazu bot. Ihre künftige Mutterschaft wurde allen augenfällig und war das Ziel vieler heimlicher Scherze und einiger ernster Spekulationen. Leider auch für ein paar unerfreuliche und häßliche Gerüchte, die sich um Hexerei drehten und deren Quellen ich zu kennen glaubte. Ich kümmerte mich nicht weiter darum, weil ich mehr mit anderen Angelegenheiten beschäftigt war, besonders mit den aufständischen Kedonnyern, die hartnäckig unser Grenzgebiet plünderten, obwohl der Schnee schwer auf der Erde lag. Gerüchte über einen neuen Anführer waren aufgetaucht, der die Schändung einer Priesterin als Grund nahm, die Männer um sich zu scharen, deshalb sandte ich Boten aus, die meinen vertrauenswürdigsten Grenzherren ausrichteten, auf der Hut zu sein. Doch die Kedonnyer schlugen zu, wann immer sich ihnen ein Rücken zukehrte, dann verschwanden sie wieder in den Hügeln, und ihre Mutter beschirmte sie mit ihrem Mantel aus Schnee, wie Etaa signalisiert hätte. Meine besten Anführer schienen hilflos im Vergleich zu dem entschlossenen Fanatismus des kedonnyschen Häuptlings, einem Mann, der nur ‚der Schmied’ genannt wurde und in Tramaine ein Schreckgespenst war, das es mit dem Gottesauge aufnehmen konnte, welches auf das sündenhafte Dasein meiner Untertanen herabblickte.
    Endlich kam die Wintersonnenwende herbei – ein Tag, der mir nicht weiter aufgefallen wäre, wenn ich nicht die in grüngetupften Samt gekleidete Etaa unbeholfen an ihrem Herd kniend gefunden hätte. Sie warf reifende Weizenhalme in die lodernden Flammen und zelebrierte eine Feier zu Ehren der Mutter. Der bleiche Willem kauerte daneben und sah wie hypnotisiert zu, während sein gefleckter Hund unbemerkt an einem Zipfel seines Lederwamses kaute. Mabis saß beim Spinnen in der anderen Ecke des Raumes, ihr rundes, vor Kälte gerötetes Gesicht drückte rechtschaffene Mißbilligung aus. Ich war ein wenig darüber beunruhigt, Willem von den kedonnyschen Vorgängen dermaßen gefangen zu sehen, doch munterte seine Freundschaft zu Etaa beide auf, und auch ich selbst hatte in der letzten Zeit gemerkt, wie schwer es war, Etaa nicht unserer eigenen, starren Art vorzuziehen. Trotzdem schalt ich Willem, und er verschwand geisterhaft wie immer, wenn ich Etaa abholte, um die heiligen Bücher aufzusuchen.
    An diesem Tag saß sie neben mir wie gewöhnlich, obwohl es seit neuestem beschwerlich für sie war, sich über die Kante des prunkvollen Arbeitstisches zu beugen. (Mabis hatte gesagt, daß mein Sohn ein stämmiges Kind sein müßte, vielleicht wären es gar Zwillinge. Ich war nämlich ebenso sicher, daß es ein Sohn werden würde, wie ich davon überzeugt war, daß er hören würde wie seine Mutter.) Ihre unvorteilhafte Fülle bezauberte mich eher noch mehr als ihre vorherige Anmut.
    Ich hatte meine Gläser

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