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Das Kind der Priesterin

Das Kind der Priesterin

Titel: Das Kind der Priesterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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Vetter angreifen würde, riskierte ich einen Bürgerkrieg, und den wollte ich einer persönlichen Rache wegen nicht über mein Volk bringen. Doch ich ging nirgendwohin ohne Diener, und ich sorgte dafür, daß meine Wachen zu jeder Zeit auf Etaa und ihr Kind achtgaben.
    Wenn auch Spannung durch die Hallen wisperte wie der kühle Hauch des Winters, konnte dies doch nicht den Frühling aufhalten, der mein Herz bei dem Gedanken an meinen neugeborenen Sohn und die Nähe von Etaa heiter machte. Für das Fest von Armageddon lehrte ich sie unter viel Gelächter tanzen. Ich habe es immer verabscheut, knifflige Muster und Schritte auswendig zu lernen, Kontrollspiegel an der Decke zu beobachten oder unentwegt mitzählen zu müssen. Sie hingegen war entzückt über diese neue Herausforderung an ihre Vorstellungskraft, ihre Begeisterung steckte mich an und ließ mich die Schönheit des Tanzes spüren.
    Seit ich ein Junge war, waren mir die Armageddon-Feiern, wie sie sich in Etaas vergnügten Augen widerspiegelten, nicht mehr so wunderbar vorgekommen, und wenn ich meinen Sohn auf den Armen umhertrug, stellte ich mir vor, wie auch ihn die gleichen Wunder ergötzen würden: die Dichter, die Jongleure, die Akrobaten, die dressierten Hunde und die Menschenmenge, die Zauberer mit ihren bunten Flammen, sogar die Götter, die glänzend in schimmernder Aura den Vorsitz führten. All die bunt herausgeputzten Leute, die schmausten und tanzten, die kalte Unfreundlichkeit der dunklen Nachmittage vertreibend, die die Tagundnachtgleiche und das Ende eines grausamen Winters jenseits der Mauern kennzeichneten.
    Wenn ich zurückblicke, glaube ich, daß ich niemals glücklicher gewesen bin als an jenem Abend, wo Etaa neben mir tanzte. Gekleidet in zarte Frühlingsfarben, ihr leuchtendes Haar mit Perlenschnüren zusammengehalten, war sie die wahre Göttin der Erde. Ihre Wangen waren vor Aufregung gerötet, und ihre dunklen Augen strahlten. Nach dem letzten Tanz nahm ich sie in die Arme und küßte sie, und sie riß sich nicht los. Damals erschien mir alles möglich, selbst daß sie mich eines Tages lieben könnte … so wie ich angefangen hatte, sie zu lieben, diese Göttin, wie ich nie zuvor eine Frau geliebt hatte.
    Indes, wie ich es in meinen lichteren Momenten immer gewußt habe, nicht alles ist möglich, nicht einmal für einen König. Und nicht lange danach hatte Etaa nur einen kalten Blick für mich übrig, als ich ihr Gemach betrat und sie über Alfileres dunkelgelocktem Kopf aufsah; sie gab ihm die Brust.
    Ich zögerte. Ist etwas nicht in Ordnung, Etaa? Mabis stand schwerfällig von ihrem Stuhl auf. Sie ging und setzte sich von uns abgewandt hin, ununterbrochen strickend; ihr rotes Gesicht drückte Unheil und Teilnahme aus.
    Etaa antwortete mir erst nach einer Weile. Sie erhob sich und legte Alfilere in seine Wiege neben dem Feuer, wo sie lächelnd stehenblieb und ihn sanft schaukelte. Sie hatte eine neue Amme abgelehnt, weil sie vorzog, ihr Kind selbst zu füttern und zu versorgen – eine weitere Tugend, die der alten Mabis gefallen hatte. Und wirklich war die Mutter meines Sohnes besser als jede Amme, konnte sie doch seine Bedürfnisse ‚fühlen’, sie wurde unruhig, sobald er sich außerhalb ihrer Hörweite befand. Endlich kam sie zu mir, ihr Lächeln verschwand, und ich wiederholte meine Frage.
    Anklagend fuhren ihre blaßrot vernarbten Hände hoch. Meron, ich kenne jetzt die Wahrheit über mein Volk, daß es Krieg führt mit Tramaine, daß es umgebracht wird, weil du mich geraubt hast. Ich weiß, daß es meine Rückkehr verlangt und darüber hinaus nichts, als von deinen Hexenverbrennern in Frieden gelassen zu werden. Doch statt dessen schickst du neue Soldaten aus, um noch mehr zu töten und zu brennen! Und das alles hast du mir vorenthalten! Und hast mich … hast mich dazu gebracht zu vergessen … Eine seltsame Gemütsbewegung marterte ihr Gesicht, und ihre Hände zuckten ins Schweigen zurück.
    Woher weißt du das, Etaa?
    Sie schüttelte den Kopf.
    Willem!
    Du wirst ihm nichts tun! Unwille und Zorn verknoteten ihre Finger.
    Ich würde nie ein Kind verletzen, das Klatsch wiederholt.
    Ist es denn wahr?
    Ja.
    Ihre Finger griffen nach der rauhen Kante des Wandteppichs, der im Luftzug hin und her schwang. Dann laß mich nach Hause gehen zu meinem Volk.
    Ich sah weg, die Enttäuschung traf mich wie das Messer eines Mörders. Ich … ich kann das nicht tun. Du würdest dein Kind nicht hierlassen, und ich will meinen Sohn nicht

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