Das Kind der Rache
die Tür hinter sich ins Schloß fallen. Während die Alte zu
flüstern begann, legte Alex den Gang ein. Er bog aus der
Parklücke aus und steuerte den Wagen in den Teil des Ortes,
der an die Hügel grenzte.
Nach einer viertelstündigen Fahrt brachte er das Auto zum
Stehen. Er blieb noch eine Weile am Steuer sitzen und lauschte
den Worten, die Maria ihm ins Ohr flüsterte. Und dann war er
allein. Die alte Frau entfernte sich von seinem Wagen, sie hielt
die Einkaufstasche an sich gedrückt.
Erst als sie außer Sicht war, stieg Alex aus. Er ging auf
Valerie Bensons Haus zu.
Plötzlich waren die Stimmen wieder da. Sie nahmen die
Litanei auf, die wie schwarzes Gift über Marias Lippen geflossen war...
Venganza... venganza...
Von irgendwoher drang ein störender Laut an sein Ohr. Er
sah auf und erblickte eine Frau, die in einem hellerleuchteten
Hauseingang stand.
»Alex?« rief Valerie Benson. »Alex, bist du es?«
Sie hatte gehört, wie das Gartentor geöffnet wurde, und
wartete auf das Geräusch der Türklingel. Als das vertraute
Ding-Dong ausblieb, war sie zur Haustür gegangen und hatte
durch den Spion gespäht. Nachdem sie sich vergewissert hatte,
daß es sich bei dem Besucher um Alex Lonsdale handelte,
hatte sie die Tür geöffnet. Allerdings hatte ihr der Junge, der in
einiger Entfernung von der Haustür stehengeblieben war, keine
Antwort gegeben, und so war sie nach draußen getreten. Sie
wiederholte seinen Namen, aber Alex schwieg. Er stand da und
umfing sie mit einem geistesabwesenden Blick. Valerie schien
es, als hätte er ihre Frage gar nicht zur Kenntnis genommen.
»Alex, was hast du? Ist etwas passiert?«
»Ladrones«, flüsterte der Junge. »Asesinos...«
Valerie machte einen Schritt zurück. Ein Gefühl von Befremdung und Angst beschlich sie. Wovon faselte der Junge?
Warum sprach er spanisch? Diebe und Mörder... Wie er es
sagte, erinnerte es Valerie an das Gestammel eines Irren.
»Kate ist nicht zu Hause«, stotterte sie und wich in Richtung
auf die offene Haustür zurück. »Wenn du gekommen bist, um
Kate abzuholen... sie ist ausgegangen.«
Sie hatte die Schwelle überquert und wollte die Tür
schließen, als Alex einen Sprung nach vorn machte und sich
den Eintritt in das Haus erzwang. Valerie wurde zu Boden
geschleudert, die Tür schlug mit der Klinke an die Wand.
Valerie wollte sich in Sicherheit bringen, wollte fortkriechen, aber es war zu spät.
Alex' Hände schlossen sich um ihren Hals. Er drückte zu.
»Venganza«, flüsterte er. Und dann, als Valerie Benson ihr
Leben ausgehaucht hatte, noch einmal: » Venganza...«
Alex hatte Jake's Place betreten und warf einen Blick in die
Runde. In einer der Sitznischen erkannte er Kate Lewis und
Bob Carey. Die beiden unterhielten sich mit Lisa Cochran und
einigen anderen Schulkameraden, deren Gesichter Alex nicht
erkennen konnte, weil sie von ihm abgewandt saßen. Er
brachte ein Lächeln zustande und durchquerte die Imbißstube.
»Hi«, begrüßte er die Schar. »Handelt es sich um eine
Privatveranstaltung, oder darf man Platz nehmen?«
Das Gespräch der Jungen und Mädchen verstummte. Alex
sah, wie seine Freunde ein paar unsichere Blicke wechselten.
Er achtete sorgfältig darauf, daß die Grimasse der
Liebenswürdigkeit mit der er sein Mienenspiel programmiert
hatte, erhalten blieb. Es war dann Bob Carey, der etwas zur
Seite rückte, so daß Alex sich in die Lücke zwängen konnte.
Ein paar Sekunden lang sprach niemand ein Wort. Schließlich
sagte Lisa: »Falls niemand was dagegen hat, ich möchte jetzt
nach Hause fahren.«
Alex stoppte das Lächeln und ersetzte es durch den
Ausdruck von Traurigkeit und Enttäuschung. »Bleib noch
etwas hier, ich bin doch gerade erst gekommen.«
Lisa zögerte. »Ich hatte nicht gewußt, daß dir meine Gesellschaft etwas bedeutet«, sagte sie. »Um die Wahrheit zu
sagen: Keiner von uns hatte in den letzten Monaten den
Eindruck, daß du dich für uns interessierst.«
Alex fing den Einwand mit einem schuldbewußten Lächeln
ab. »Ich weiß«, sagte er. »Aber ab jetzt wird alles anders. Ich
bin auf dem Wege der Besserung. Ich glaube, ich...« Er senkte
den Blick, wie er es bei Menschen beobachtet hatte, die im
Verlauf eines Gesprächs in Verlegenheit gerieten. »Ich glaube,
ich bin dabei, Gefühle zu entwickeln wie ein ganz normaler
Mensch.« Er nahm sich vor, die folgenden Worte mit
stockender Stimme auszusprechen. »Ich... ich möchte euch
sagen, daß ich euch alle
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