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Das Kind der Rache

Das Kind der Rache

Titel: Das Kind der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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Die kostbaren Möbel waren fortgeschafft worden. Maria Torres
war der einzige Mensch, der in wöchentlichen Abständen das
Anwesen betrat. Es war ihre Arbeit, den Fußboden zu wischen
und die schmiedeeisernen Gitter vor den Fenstern abzustauben.
Daß es in den großen, herrschaftlich anmutenden Räumen
keine Möbel mehr gab, störte sie nicht. Für sie war das Haus
jetzt so, wie es sich gehörte. Die Geister, denen sie sich
verbunden fühlte, hatten endlich den Platz, der ihnen gebührte.
Maria war zuversichtlich, daß sie selbst bald zu ihren Ahnen
gehen würde. Man würde sie auf dem Friedhof der Missionsstation begraben, aber ihre Seele würde in der alten
Hazienda wohnen. Die weißgekalkten Gemäuer, Stammsitz
derer von Melendez y Ruiz, waren ihr Zuhause.
    Heute allerdings würde sie nicht zur Hazienda gehen. Ihr
Ziel war das Haus, in dessen Mauern Alejandro gestorben war.
Maria Torres würde mit den neuen Eigentümern sprechen. Es
ging um Arbeit.
    Die Familie, die in die Fußstapfen der Lonsdales treten
würde, war erst vor einer Woche eingezogen. Maria hatte
erfahren, daß die Frau eine Haushälterin benötigte.
    Das Haus kam in Sicht. Es war so, wie sie, Maria, es sich
immer gewünscht hatte. Die Mauer, die als Windschutz für den
Patio diente, war neu mit Reben bepflanzt worden. Ein Spalier
bedeckte die Hecke und gab den Ranken Halt. Wirklich, ein
schöner Anblick. Aus einiger Entfernung betrachtet, sah das
Haus so aus, wie es vor einem Jahrhundert ausgesehen hatte.
Maria öffnete das Gartentor und schritt über den Weg, der zum
Eingang des Hauses führte. An der Tür angekommen, klopfte
sie an. Es dauerte nur wenige Sekunden, dann ging die Tür auf.
Eine Frau erschien, hell vor dunklem Hintergrund.
    Eine blonde Frau mit blauen Augen und einem Lächeln auf
den schönen Lippen.
Eine Gringa.
»Sind Sie Mrs. Torres?« fragte die Gringa. Maria nickte. »Es
freut mich, daß Sie gekommen sind«, fuhr die Frau fort. »Mein
Name ist Donna Ruiz.«
Maria meinte, das Herz müsse ihr stehenbleiben. Ihre Knie
begannen zu zittern. Sie streckte die Hand aus, um am
Türrahmen Halt zu finden.
»Sie heißen wirklich Ruiz?« flüsterte sie. »No es posible...«
Die Frau, eine Gringa, wie sie im Buche stand, quittierte
Marias Erstaunen mit beleidigender Gutmütigkeit. »Ich weiß«,
sagte sie, »ich sehe nicht wie eine Ruiz aus. Ich habe den
Namen auch nur durch Heirat bekommen. Mein Mädchenname
war Riley.« Das Lächeln wurde breiter. »Aber Paul, mein
Mann, ist ein echter Ruiz.« Sie ergriff Maria am Arm, führte
sie über die Schwelle und schloß die Haustür. Wenig später
betraten sie das Wohnzimmer. »Ist das nicht wunderschön?«
schwärmte die junge Frau. »Paul sagt, es ist genau das Haus,
nach dem er sich immer gesehnt hat. Rustikal. Antik. Ich bin
sicher, das Haus ist über hundert Jahre alt.«
»Es ist älter als hundert Jahre«, sagte Maria leise. »Viel
älter.« Ihr Blick wanderte zu der Stelle, wo Alejandro gestorben war. »Das Haus wurde ursprünglich für eine Aufseherfamilie gebaut.« Es war das erstemal, daß Donna Ruiz
den Ausdruck hörte. »Eine Aufseherfamilie?«
»Die Männer, die mit der Überwachung der Landarbeiter
beauftragt waren, nannte man Aufseher. Das war in der Zeit,
bevor die Americanos kamen.«
»Wie interessant«, sagte Mrs. Ruiz. »Mir scheint, Sie kennen
sich in diesem Haus sehr gut aus, wenn Sie sogar über die
Vorgeschichte Bescheid wissen.«
» Si «, sagte Maria. »Ich habe bei Senora Lonsdale saubergemacht.«
Auf Donna Ruiz' Gesicht verschwand das Lächeln. »O mein
Gott. Das wußte ich nicht... Vielleicht ist es Ihnen
unangenehm, in dem Haus zu arbeiten, wo...«
Maria schüttelte den Kopf. »Das macht nichts. Ich habe
früher hier gearbeitet, und ich werde wieder hier arbeiten.
Irgendwann werde ich auf die Hazienda zurückkehren.«
Donna Ruiz' Blick war in eine unbestimmte Ferne gerichtet.
Eine schöne Traurigkeit zeichnete ihre Züge. »Es muß
furchtbar gewesen sein. Ganz furchtbar. Der arme Junge.« Sie
zögerte, bevor sie weitersprach. »Wenn man es recht bedenkt,
wäre es besser gewesen, er wäre bei dem Autounfall gestorben.
Finden Sie nicht? Was der Ärmste alles durchgemacht hat,
bevor...« Sie verstummte. Nach Sekunden des Schweigens fiel
ihr ein, warum sie Maria Torres in ihr Haus bestellt hatte. »Wie
auch immer, ich möchte jetzt mit Ihnen einen Rundgang durch
die Zimmer machen. Ich werde Ihnen erklären, was Sie

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