Das Kind der Rache
Strahl auf den Fußboden des Flurs. »Verdammt«,
sagte er leise. Jackson hatte das Gefühl, als sei eine dicke
Eisenkugel in seinen Magen geplumpst.
»Kannst du sie sehen?«
Finnerty nickte. »Sie liegt auf dem Fußboden, genau wie die
andere neulich. Kein Blut, soweit ich erkennen kann. Komm,
sieh's dir einmal an.«
Jackson trat ans Fenster und spähte durch die Scheibe.
»Vielleicht ist sie nur bewußtlos«, sagte er.
»Vielleicht«, sagte Finnerty. Beide wußten, daß Mrs. Benson
nicht bewußtlos war. »Geh zu dem Mädchen und frag sie, ob
sie einen Hausschlüssel hat«, wies er seinen Kollegen an.
»Aber sag ihr nicht, was los ist. Achte auf ihre Reaktion, wenn
du sie nach dem Schlüssel fragst.«
Sergeant Jackson runzelte die Stirn. »Du glaubst doch wohl
nicht, daß die beiden...«
»Ich weiß noch nicht, was ich glaube«, knurrte Finnerty.
»Ich weiß nur eines. Alan Lewis ist jetzt aus dem Schneider. Er
sitzt in Untersuchungshaft, er kann's also nicht getan haben.
Was den Jungen und das Mädchen angeht, da fällt mir die
Kleine ein, die letztes Jahr mit Hilfe ihres Freundes ihre Eltern
umgebracht hat und den Rest der Nacht mit ihrem Komplizen
in einem Tanzschuppen verbrachte. Wie auch immer, ich
möchte jetzt erst einmal wissen, ob das Mädchen einen
Schlüssel zum Haus hat oder nicht.«
»Ist ihr was passiert?« fragte Kate, als Sergeant Jackson bei
ihr auftauchte.
»Wir wissen bisher noch gar nicht, ob sie überhaupt im Haus
ist«, log er. »Hast du einen Hausschlüssel?«
Kate wühlte in ihrer Tasche und brachte einen Ring zum
Vorschein, an dem ein einziger Schlüssel hing. »Du bleibst im
Wagen«, befahl Jackson. Während er zum Haus zurückging,
dachte er über den Auftrag nach, den sein Kollege ihm erteilt
hatte. Wie hatte Kate reagiert, als er sie nach dem Schlüssel
fragte? Jackson wußte nicht, was er Finnerty zu diesem Punkt
berichten sollte. Alles, was er wußte, war die Tatsache, daß den
beiden jungen Leuten die Angst ins Gesicht geschrieben stand.
Kein Wunder, der Junge und das Mädchen hatten erst ein
furchtbares Erlebnis gehabt. Jetzt nahmen sie an, daß sich der
Alptraum wiederholen würde. Wie Jackson wußte, zu Recht.
»Nun?«
Jackson sah seinen Streifenkollegen an. »Ich habe sie um
den Schlüssel gebeten, sie hat mir den Schlüssel gegeben. Das
ist alles. Ach ja, und dann hat sie noch gefragt, ob Mrs. Benson
etwas zugestoßen ist.«
»Und was hast du ihr gesagt?«
»Ich habe sie belogen. Denke, es ist besser, daß du dabei
bist, wenn ich ihr reinen Wein einschenke.«
Sergeant Finnerty nickte. Er schob den Schlüssel ins Schloß,
öffnete die Haustür und überquerte die Schwelle. Jackson
folgte ihm. Drinnen war alles still. Ein Blick in Valerie
Bensons aufgerissene Augen sagte den beiden, daß sie tot war.
Finnerty ging zum Streifenwagen zurück, um Meldung beim
Revier zu machen, dann besprach er sich mit Jackson. »Es ist
wohl besser, wenn wir den beiden jetzt sagen, was passiert ist.«
Der Rest der Nacht verging mit dem gleichen Ritual, das
eine Woche zuvor abgelaufen war, als der Junge und das
Mädchen die Leiche von Marty Lewis aufgefunden hatten.
Der Weg war staubig und führte steil bergan. Alex ging mit
langsamen, aber sicheren Schritten. Er kannte sich hier bestens
aus. Als er ein kleiner Junge war, war er mit seinem Vater über
die Hügel geritten, die links und rechts zu erkennen waren.
Später hatten die Gringos ihnen alles geraubt, zuerst das Land,
dann die Pferde, schließlich auch den Namen, auf den er so
stolz war.
Obwohl er nichts mehr besaß, hatte er La Paloma nicht
verlassen. Er würde diesem Ort erst den Rücken kehren, wenn
die Gringos ihre Blutschuld bezahlt hatten. Sie würden für die
Morde, die sie begangen hatten, büßen.
Ein Haus kam in Sicht. Alex ging darauf zu, öffnete das
Gartentor, überquerte den Rasen und betrat den Patio. Er
erinnerte sich, daß er vor nicht langer Zeit in diesem Haus zu
Gast gewesen war. Seine Eltern und seine beiden Schwestern
hatten ihn begleitet. Sie hatten an einer Fiesta teilgenommen.
Heute gab es keine Fiesta. Es gab einen anderen Grund, der
Alex zu diesem Haus führte.
Die neuen Eigentümer des Anwesens zahlten ihm ein paar
Centavos, damit er die Pflanzen im Patio in Ordnung hielt. Was
sie wohl sagen würden, wenn sie herausfanden, wer er in
Wirklichkeit war?
Er hatte die trockenen Blätter zusammengekehrt, die unter
einem Strauch lagen. Er beobachtete das Haus aus
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