Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
Vom Netzwerk:
dort, um ihn zu begrüßen und ihm ihr Schultertuch anzubieten, damit er sich damit abtrocknen konnte.
    Ich konnte mich an diesem Tag nicht sonderlich gut konzentrieren, und Vater warf mir einen scharfen Blick zu, sagte aber nichts. Es war mein eigener Entschluss, danach nicht mehr hinauszugehen und weiter zuzusehen. Was Vater mich gelehrt hatte, war richtig. Ein Zauberer oder die Tochter eines Zauberers konnten nicht tun, was notwendig war, konnten die erforderliche Arbeit nicht leisten, wenn sie zuließen, dass andere Dinge ihnen in den Weg gerieten.
    Es war kurz vor Lugnasad und dem Ende dieses Sommers, als Vater mir endlich seine eigene Geschichte erzählte. Wir saßen nach der Arbeit eines langen Tages am Feuer und tranken unser Bier. Zu solchen Zeiten schwiegen wir meist, beide in eigene Gedanken versunken. Ich beobachtete Vater, der in die Flammen starrte, und dachte gerade darüber nach, dass er abgenommen hatte, dass sich sein Schädel deutlich unter der Haut abzeichnete. Er war sogar noch bleicher als sonst. Es strengte ihn offenbar sehr an, mich zu unterrichten. Kein Wunder, dass er so müde aussah! Ich würde noch intensiver an mir arbeiten müssen.
    »Du weißt, dass wir von einer Linie von Zauberern abstammen, Fainne«, sagte er plötzlich, als folgte er einfach seinen Gedanken.
    »Ja, Vater.«
    »Und du verstehst, was das bedeutet?«
    Ich war erstaunt, dass er mich so etwas fragte. »Dass wir nicht sind wie die gewöhnlichen Leute und es auch nie sein können. Wir sind anders als sie; wir sind weder das eine noch das andere. Wir können unser Handwerk ausüben, zu jedem Zweck, den wir wünschen. Aber es gibt Elemente der Magie, die uns verschlossen sind. Wir können die Anderwelt vielleicht berühren, aber wir gehören nicht wirklich dorthin. Wir leben in dieser Welt, aber auch hier gehören wir nicht hin.«
    »Gut, Fainne. Du verstehst es in der Theorie sehr gut. Aber das ist nicht das Gleiche, wie in die Welt hinauszugehen und zu entdecken, was es bedeutet. Du kannst noch nicht wissen, welchen Schmerz eine solche Halbexistenz mit sich bringen kann. Sag mir, erinnerst du dich an deine Großmutter? Es ist lange her, seit sie hergekommen ist; es war vor mehr als zehn Jahren. Vielleicht hast du sie vergessen.«
    Ich runzelte vor Konzentration die Stirn. »Ich glaube, ich kann mich erinnern. Sie hatte Augen wie wir, und sie hat mich angestarrt, bis mir der Kopf wehtat. Sie hat mich gefragt, was ich gelernt habe, und als ich es ihr sagte, hat sie gelacht. Ich wollte, dass sie wieder geht.«
    Vater nickte grimmig. »Meine Mutter hat sich entschieden, sich nicht in dieser Welt aufzuhalten, jedenfalls derzeit nicht. Sie lebt an dunkleren Orten, aber wir können sie nicht einfach als unwichtig abtun, und auch nicht ihre Taten. Wir tragen ihr Erbe in uns, du und ich, ob wir es nun wollen oder nicht, und durch sie sind wir sowohl weniger als auch mehr als gewöhnliche Menschen. Ich hatte dir nicht viel darüber erzählen wollen, aber nun ist etwas geschehen, das mich dazu zwingt. Wirst du dir meine Geschichte anhören?«
    »Ja, Vater«, flüsterte ich erschrocken.
    »Also gut. Wisse also, dass ich achtzehn Jahre lang in den Nemetons aufwuchs, unter der Obhut der Weisen. Was davor war, weiß ich nicht mehr, denn ich habe, seit ich kaum mehr als ein kleines Kind war, im tiefen Wald von Sevenwaters gelebt. Eiche und Esche waren meine Freunde, ich schlief auf geflochtenen Ebereschenzweigen, um besser die Stimme des Geistes hören zu können, und ich trug das schlichte Gewand eines Schülers. Es war eine Kindheit der Disziplin und Ordnung; das Leben war karg, was die Befriedigung körperlicher Bedürfnisse anging, aber voll üppigster Nahrung für den Geist. Es fehlten die niederen Elemente der menschlichen Existenz, aber wir waren umgeben von der Schönheit von Baum und Bach, See und moosigem Stein. Ich liebte das Lernen, Fainne. Ich habe versucht, diese Liebe an dich weiterzugeben, in all den Jahren deiner Kindheit.
    Den größeren Teil meiner Ausbildung als Druide verdankte ich einem Mann namens Conor, der während meiner Zeit dort zum Anführer der Weisen wurde. Er nahm besonderen Anteil an meiner Erziehung. Conor war ein strenger Lehrer. Er gab niemals eine direkte Antwort auf eine Frage. Stets schickte er mich in die richtige Richtung, aber ich musste die Antworten selbst erarbeiten. Ich lernte schnell und wollte noch mehr lernen. Ich machte Fortschritte, ich wurde älter, wuchs zu einem jungen Mann heran.

Weitere Kostenlose Bücher