Das Kind der Stürme
Conor lobte mich nicht oft, aber er war zufrieden mit mir, und kurz bevor ich meine Ausbildung vollendete und mich endlich Druide nennen durfte, gestattete er mir, ihn zum Herrenhaus von Sevenwaters zu begleiten, um ihm dort beim Imbolc-Ritual zu helfen.
Es war das erste Mal, dass ich die Nemetons und den tiefen Wald verließ. Es war das erste Mal, dass ich andere Menschen als meine Brüder und Schwestern von den Weisen sah. Conor vollzog das Ritual und entzündete das heilige Feuer, und ich trug für ihn die Fackel. Es war der Höhepunkt langer Jahre der Ausbildung. Nach dem Abendessen erlaubte er mir, den Anwesenden eine Geschichte zu erzählen. Und er war stolz auf mich: Ich sah es ihm an, so geschickt er seine Gedanken und Empfindungen auch verbergen konnte. Ich verspürte an diesem Abend solche Freude im Herzen, als hätten die Hände der Göttin selbst meinen Geist berührt und meine Füße auf einen Weg gesetzt, dem ich freudig für den Rest meiner Tage folgen könnte. Von nun an, dachte ich, würde ich mich dem Weg des Lichts widmen.
Sevenwaters ist ein großes Haus und ein großes Túath. Ein Mann namens Liam war dort der Herr, Conors Bruder. Und es gab auch eine Schwester, Sorcha, von der seltsame Dinge erzählt wurden. Sie selbst war eine große Geschichtenerzählerin und eine berühmte Heilerin, und ihre eigene Geschichte war die merkwürdigste von allen. Eine böse Zauberin hatte ihre Brüder in Schwäne verwandelt, und Sorcha hatte ihnen durch eine ungeheuer mutige und aufopferungsvolle Tat ihre Menschengestalt wieder zurückgegeben. Wenn man sie ansah, konnte man das kaum glauben, denn sie war ein so kleines, zerbrechliches Ding. Aber ich wusste, dass es wahr war. Conor hatte es mir erzählt – Conor, der selbst drei Jahre lang die Gestalt eines wilden Schwans gehabt hatte. Sie sind eine Familie von beträchtlicher Macht und großem Einfluss, und sie verfügen über Fähigkeiten, die weit über das Übliche hinausgehen.
An diesem Abend war mir das alles neu. Ein großes Herrenhaus, ein Festbankett mit mehr Essen, als ich je zuvor gesehen hatte, die Tische bogen sich unter den Delikatessen, und das Bier floss in Strömen. Es gab Licht und Musik und Tanz. Ich fand es … schwierig. Fremd. Aber ich blieb und beobachtete. Beobachtete ein wunderbares, wunderschönes Mädchen beim Tanzen, wie sie sich drehte und lachte und ihr das kupferhelle Haar über den Rücken fiel und wie ihre Haut im Licht der Fackeln golden schimmerte. Später, in der großen Halle, erzählte ich meine Geschichte nur für sie. An diesem Abend waren es nicht die Göttin oder meine Ideale, von denen ich träumte, sondern Niamh, die Tochter von Sevenwaters, wie sie sich in ihrem blauen Kleid drehte und mich anlächelte, wenn sie in meine Richtung schaute. Das hatte Conor nicht vorhergesehen, als er mich zu diesem Fest mitgenommen hatte. Aber sobald es begonnen hatte, gab es kein Zurück mehr. Ich liebte sie; sie liebte mich. Wir trafen uns insgeheim im Wald. Zweifellos würde es Schwierigkeiten geben, wenn wir den anderen offenbarten, was wir vorhatten. Ein Druide darf heiraten, wenn er es wünscht, aber es ist sehr ungewöhnlich, eine solche Entscheidung zu treffen. Außerdem hatte Conor Pläne für mich, und ich wusste, dass er diese Idee nicht gut aufnehmen würde. Niamh war keinem anderen versprochen, aber sie sagte, ihre Familie würde Zeit brauchen, um sich an die Idee zu gewöhnen, dass sie einen jungen Mann heiraten würde, dessen Herkunft vollkommen unbekannt war. Immerhin war sie die Nichte von Lord Liam, dem Herrn von Sevenwaters. Aber für uns gab es keine Alternative. Wir konnten uns keine Zukunft vorstellen, in der wir voneinander getrennt sein würden. Also trafen wir uns unter den Eichen, fern von neugierigen Blicken, und wenn wir zusammen waren, schmolzen die Unterschiede dahin. Wir waren jung. Damals kam es uns so vor, als hätten wir alle Zeit der Welt.«
Er hielt inne und hustete und trank einen Schluck Bier. Ich spürte, wie schwer es ihm fiel, diese Geschichte zu erzählen, und ich schwieg.
»Dann wurden wir entdeckt. Wie das geschah, zählt nicht. Conors Neffe galoppierte in die Nemetons und holte seinen Onkel, und ich hörte genug, um zu wissen, dass es für Niamh Ärger geben würde. Als ich Sevenwaters erreichte, brachte man mich in ein kleines Zimmer, und dort waren Conor selbst, sein Bruder, der Herr des Túath, und Niamhs Vater, der Brite. Ich erwartete, auf einigen Widerstand zu stoßen, aber ich
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