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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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du wärst eine gute Schülerin. Das ist wahr. Du bist beinahe zu schnell.«
    »Sollte ich lieber zulassen, dass Ihr mich schlagt?«, fragte ich und zog die Brauen hoch.
    »Selbstverständlich nicht.« Er klang verärgert. »Du hast mich überrascht, das ist alles. Normalerweise ist der Geist einer Frau nicht so schnell im Stande, die komplizierten Muster eines solchen Spiels zu erkennen und sie zu ihrem Vorteil zu nutzen. Beim nächsten Mal werde ich mehr aufpassen. Ich habe dich als Gegnerin unterschätzt.«
    »Und Ihr verliert nicht gerne.« Diese Worte waren mir entglitten, bevor ich mich bremsen konnte.
    Er kniff die Augen zusammen. »Eines Tages wird deine Offenheit dir noch Ärger machen«, sagte er leise. »Es wäre vielleicht klug, diese Zunge ein wenig zu zügeln, wenn andere anwesend sind. Aber du sagst nichts weiter als die Wahrheit. Ich kann es nicht gut ertragen, geschlagen zu werden. Ich erwarte bei allem, was ich unternehme, zu siegen.«
    »Und verliert Ihr häufig?«
    »Langfristig nie.«
    »Aber –«
    »Ein Mann, der etwas nimmt, was mir gehört, kann erwarten, dass ich es ihm mit gleicher Münze zurückzahle. Er hat vielleicht vergessen, was er getan hat, aber ich vergesse es nicht.«
    »Was, wenn ein solcher Mann zu einem Verbündeten wird?«, fragte ich. »Würdet Ihr dann nicht in einem unmöglichen Dilemma stecken?«
    Er hielt einen Augenblick inne. Er packte den Weinbecher so fest, als wollte er die Luft aus der Kehle eines Feindes drücken.
    »Einen solchen Mann könnte ich nie als Verbündeten betrachten«, sagte er schließlich angespannt. »Man kann sich vermutlich besser auf ein Ungeheuer aus der Anderwelt verlassen als auf ihn. Die normalen Regeln von Verwandtschaft und Loyalität gelten für ihn nicht. Es wäre besser, dass ein solches Geschöpf nie geboren wäre.«
    Sein Tonfall beunruhigte mich. Ich bedauerte, die Frage gestellt zu haben. Ich griff nach meiner Kerze, und er schien wieder zu sich zu kommen.
    »Es ist sehr spät. Schon beinahe Tag. Du solltest lieber heute Morgen im Bett bleiben, sonst bist du zu müde.«
    »Vielleicht tue ich das. Aber ich bin daran gewöhnt, spät schlafen zu gehen und früh aufzustehen. Ich danke Euch für das Spiel. Es hat mir Spaß gemacht.« Und das stimmte. Es war gut, mich auf etwas anderes zu konzentrieren als auf die unmögliche Herausforderung, die Großmutter mir gestellt hatte. Es war gut, sich so intensiv konzentrieren zu müssen, dass das Bild von Maeves verbranntem Gesicht vor meinem geistigen Auge ein wenig durchsichtiger wurde. Wenn ich nach Hause kam, könnte ich Vater vielleicht beibringen … nein, diesen Gedanken sollte ich lieber nicht zu Ende bringen. Ich war wirklich müde.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte Eamonn, machte einen Schritt auf mich zu und griff sanft nach meinem Arm. »Du siehst blass aus. Ich habe dich viel zu lange aufgehalten.«
    »Schon gut. Das wird vergehen.«
    »Dann gute Nacht. Oder vielleicht sollte ich guten Morgen sagen.« Normalerweise hätte er ernst genickt oder mir die Hand gedrückt. Diesmal beugte er sich vor und küsste mich sacht auf die Wange. Es war nichts dabei, es war ein kurzer, rascher Kuss. Aber ich sah seinen Blick.
    »Gute Nacht«, sagte ich hastig und zog mich in mein Zimmer zurück. Ich lag im Bett unter meinen weichen Wolldecken und dem feinen Leinen, so erschöpft, dass ich sofort hätte einschlafen müssen, aber nicht im Stande, meinen hektisch arbeitenden Geist zu bremsen. Es war ziemlich offensichtlich, was Großmutter nun von mir erwartete. Tatsächlich wurde langsam deutlich, dass die Aufgabe, die sie mir gestellt hatte, vielleicht doch nicht so unmöglich war, wenn ich mich nur dazu bringen könnte, zu tun, was mit Eamonn getan werden sollte. Aber wie konnte ich? Wie würde ich das ertragen können? Als es draußen dämmerte und ein Hahn im Hof laut zu krähen begann, schlief ich ein, und meine Probleme drehten und wendeten sich immer noch in meinem Kopf.
    Ich schlief nicht lange. Es hatte aufgehört zu regnen, und die Mädchen wollten unbedingt nach draußen, obwohl es bitterkalt war. Besucher waren eingetroffen und hatten sich bereits mit Eamonn in seinem Arbeitszimmer eingeschlossen. Auch er hatte wohl wenig geschlafen. Im Stall standen schöne Pferde, die ich zuvor nicht dort gesehen hatte, und vor dem Küchenfeuer trockneten regennasse Umhänge. Niemand wollte uns sagen, wer die Besucher waren. Vielleicht wusste es auch niemand.
    Wir gingen nach draußen, wir fünf,

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