Das Kind der Stürme
erzählt, es mit ihm geteilt, als hätte ich dadurch meine Schuldgefühle und meine Angst loswerden können. Aber das ging nicht. Er durfte mit all diesen Dingen nichts zu tun haben, um seiner eigenen Sicherheit willen.
»Ich bin gekommen, um dir zu sagen, dass du nach Hause gehen und nicht mehr zurückkommen sollst«, erklärte ich tonlos. »Du darfst nicht wieder herkommen, Darragh. Du darfst nicht wieder versuchen, mich zu sehen. Das ist wichtig.«
Er schwieg einen Augenblick.
»Du bist im Dunkeln bis hierher geritten, um mir das zu sagen?«
»Ja. So muss es sein. Glaub mir das.«
»Ich verstehe«, sagte er angespannt.
»Nein, das tust du nicht.« Ich konnte nicht verbergen, wie elend ich mich fühlte. »Du verstehst gar nichts. Aber wir sind trotz allem Freunde. Ich muss dich bitten, mir zu vertrauen und zu tun, was ich dir sage.«
Er sah mich aus zusammengekniffenen Augen an. »Eins will ich noch wissen: Was bedeutet dir dieser Kerl, der Herr von Glencarnagh? Ein unangenehmer Bursche. Was bedeutet er dir?«
»Das geht dich nichts an. Was hat er zu dir gesagt?«
»Er hat mich schnell wieder auf den Weg geschickt. Er hat vorgeschlagen, dass seine Leute mich zur Grenze begleiten. Selbstverständlich als Eskorte und nur zu meinem Schutz. Ich habe das freundliche Angebot abgelehnt. Er sagte, ich könne dich nicht sehen, nicht heute, nicht morgen und auch sonst nicht. Sagte, du wärst ein besonderer Gast und dürftest nicht gestört werden. Pöbel wie ich dürften eine Dame nicht belästigen. So was Ähnliches. Einen Augenblick oder zwei habe ich mir gewünscht, ein Krieger zu sein und kein Musiker. Was hat das zu bedeuten, Fainne? Ein ganz besonderer Gast?«
»Tut mir Leid, dass er dich so behandelt hat.« Meine Stimme bebte. »Ich war krank. Es ging mir nicht gut. Ich wusste nicht, dass du da warst.«
»Und du findest es in Ordnung, dass dieser Kerl deine Entscheidungen für dich trifft? Du bist damit zufrieden, dass er dir deine Freunde aussucht?«
Ich antwortete nicht.
»Fainne. Sieh mich an.«
Ich wandte ihm das Gesicht zu. Er sah sehr blass und sehr ernst aus. »Willst du diesen Mann heiraten, geht es darum? Sag mir die Wahrheit.«
»Das geht dich nichts an«, flüsterte ich.
»O doch. Und jetzt sag es mir.«
Zögernd nickte ich. »Das könnte durchaus sein.«
»Er ist ein bisschen alt für dich, oder?«, meinte Darragh barsch.
»Es gibt viele solche Ehen. Das Alter der Frau ist erheblich wichtiger, wenn ein Mann einen Erben will.«
Darragh wurde nie zornig; das war eine seiner guten Eigenschaften. Aber ich glaube, in diesem Moment war er sehr nahe dran. Ich sah, wie sich seine Kiefermuskeln anspannten. Aber seine Stimme war weiterhin ruhig.
»Du willst also heiraten, damit du einen Namen und ein Vermögen hast. Dafür willst du einem alten Mann Söhne schenken.«
»Du würdest es nicht verstehen.«
»Versuch doch, es mir zu erklären.«
»Du könntest es nicht verstehen.«
Darragh schwieg einen Augenblick. Dann stellte er fest: »Du hast es mir schließlich früher schon deutlich genug gesagt. Etwas über einen Straßenköter und die Sterne war es, glaube ich.«
»Damals habe ich nicht nachgedacht. Es tut mir Leid, wenn ich dich gekränkt habe. Aber das hier kann ich dir auch nicht erklären, ebenso wenig wie diese anderen Dinge. Ich bitte dich einfach, dich fern zu halten, das ist alles.« Und ich hätte ihm so gern die Wahrheit gesagt!
Er wartete ein wenig. Im Lauf der Zeit war die Luft kälter und kälter geworden. Nun genügten das kleine Feuer und der warme Umhang nicht mehr, um das Gefühl von Kälte zu vertreiben, das ohnehin mehr aus mir selbst herauszukommen schien als aus der Umgebung. Ich dachte, wenn ich weinen könnte, würden sich meine Tränen in Eistropfen verwandeln, noch bevor sie mir aus den Augen fallen konnten.
»Liebst du diesen Kerl?«, fragte Darragh tonlos und ohne mich anzusehen.
»Liebe!«, schnaubte ich, setzte mich in meiner Überraschung auf und musste ein schmerzerfülltes Ächzen unterdrücken. »Selbstverständlich nicht! Liebe hat damit nichts zu tun. Wer heiratet denn schon aus Liebe! Das ist einfach nur dumm. In einer solchen Beziehung gibt es nichts als Kummer und Verschwendung.« Ich dachte an meine Mutter und meinen Vater und wie ihre Liebe beider Leben zerstört hatte.
»Dann würdest du also meiner Schwester Roisin raten, Aidan nicht zu heiraten? Sie haben das für den Herbst geplant, wenn sie siebzehn ist. Aidan hat sein eigenes kleines
Weitere Kostenlose Bücher