Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
Vom Netzwerk:
Händen und klammerte mich an ihr fest. Ich wollte nicht herunterfallen, ich war entschlossen, oben zu bleiben. Ich würde Darragh einholen und bis zum Morgengrauen zurückkehren. Ich musste es einfach schaffen. Wenn ich ihn finden würde, würde ich ihm sagen, dass er direkt nach Hause zu O'Flaherty gehen und nie wieder zurückkommen sollte. Ich würde ihm das sagen und mich von ihm verabschieden, und dann würde ich zurück nach Glencarnagh reiten. Es war alles ganz einfach.
    Die Zeit verging, und das Pferd bewegte sich weiter in die Nacht hinaus. Sie trabte stetig, solange ihr das Mondlicht den Weg zeigte. Es war kalt. Es war so kalt, dass ich meine Finger bald kaum mehr bewegen konnte. Meine Füße waren taub, meine Ohren brannten. Ich spürte, wie ich von der Kälte geschüttelt wurde wie von hereinbrechenden Wellen eisigen Wassers an einem knochenkalten Ufer.
    »Es ist nur gut, dass sie weiß, wohin sie geht«, sagte ich grimmig und fragte mich, wie lange es dauern würde, bis mein erstarrter Körper sich nicht mehr festklammern konnte und ich vom Rücken der Stute fiel. Eins war sicher: Wenn ich herunterfiel, würde ich nie wieder die Kraft finden, zurück aufs Pferd zu steigen.
    Zunächst war die Welt der Nacht still gewesen, aber als wir weiter nach Westen reisten, hörte ich mehr und mehr subtile Geräusche. Über den leisen Hufschlag der grauen Stute war ein Rascheln und Knarren zu hören, als beugten sich die Bäume vor, um uns zuzusehen. Einmal glaubte ich, in der Ferne Heulen wie von Wölfen zu vernehmen. Ich sagte mir, ich müsse mich wohl geirrt haben. Dann erklang ein Vogelruf in den dunklen Ästen vor uns. Ein Chor von Quaken grüßte uns, als wir einen dunkel schimmernden Streifen Marschland durchquerten. Einmal war auch das plötzliche Flirren ledriger Flügel zu hören und ein hohes, schrilles Geräusch, als Fledermäuse über uns hinweg und irgendwo in eine unterirdische Höhle flogen. Es war so kalt, dass ich kaum wach bleiben konnte, so aufgeregt ich auch war. Ich war so müde, dass ich dachte, ich könnte genauso gut aufhören so zu tun, als könnte ich mich festhalten, und mich einfach im Farn zusammenrollen und einschlafen. Ein schöner, langer Schlaf. Wer würde mich schon vermissen?
    Die Stute war langsamer geworden. Sie drehte sich in die eine, dann in die andere Richtung. Sie machte noch einen Schritt und blieb stehen. Dann ein weiterer Schritt, eine weitere Pause. Ich wurde abrupt wieder wach, mein Herz klopfte erschrocken.
    »Du musst doch den Weg kennen!«, sagte ich. »Du musst einfach! Warum sollten wir so weit gekommen sein, wenn wir jetzt aufgeben müssen? Kannst du Aoifes Spuren nicht folgen, wie es ein Hund tun würde? Was ist denn mit dir nicht in Ordnung?«
    Sie zitterte ein wenig, als sie dort in der Nacht stand. Wir waren am Rand offenen Geländes; das Mondlicht zeigte sanfte Hügel mit kleinen Baumgruppen.
    »Mach schon!«, flüsterte ich. »Rasch, bevor wir erfrieren. Begreifst du denn nicht, dass wir am Morgen zurück sein müssen? Geh! Bitte!«
    Ich schubste sie mit den Füßen in die Seite und drückte mit den Knien. Ich hatte so wenig Kraft, dass ich bezweifelte, dass sie es überhaupt bemerkte. »O bitte«, flüsterte ich ins Dunkel. Aber die Stute blieb stehen und regte sich nicht mehr. Irgendwo im Hinterkopf dachte ich darüber nach, welche Erklärung ich Eamonn geben sollte, wenn man mich am Morgen hier finden würde, halb erfroren und mit einem Pferd, das mir nicht gehörte. Vielleicht wäre ich bis dahin ja ohnehin tot. Zumindest würde ich dann keine Ausreden mehr erfinden müssen.
    Dann hörte ich einen Eulenschrei über meinem Kopf, und etwas Dunkles flatterte vorbei. Ich glaubte zu spüren, wie eine kleine Feder an meiner Nase vorbeischwebte. Ich nieste. Dann noch ein Schrei. Der Tonfall gab mir eine deutliche Botschaft. Komm schon, Dummkopf, wir haben nicht die ganze Nacht.
    Das kleine Pferd bewegte sich weiter. Die Eule flog vor uns von einer Seite zur anderen, wartete auf einem niedrigen Ast, auf einer Steinmauer, auf einem Felsvorsprung. Ungeduldig. Mach schon, kannst du nicht schneller?
    Das Pferd begann wieder zu traben und, als wir auf einen richtigen Weg kamen, zu kantern. Ich wurde durchgeschüttelt wie ein Getreidesack. Ich klammerte mich wieder an die Mähne der Stute und beugte mich vor, zwang meine Knie, sich festzuklammern. Schmerz schoss durch meine Beine, durch meinen Rücken. Ich biss die Zähne zusammen.
    Die Eule flog weiter, und die Stute

Weitere Kostenlose Bücher