Das Kind der Stürme
Mal akzeptieren.
»Also gut«, sagte er nach einer Weile. »Wir sollten uns lieber auf den Weg machen.«
»Es tut mir Leid«, sagte ich leise.
»Was?«
»Dass die Stute so weit im Dunkeln und in der Kälte laufen musste. Es tut mir Leid, dass ich sie erschöpft habe. Ich habe nicht nachgedacht. Ich dachte nur daran …«
»Mach dir deshalb keine Gedanken«, sagte Darragh. »Sie ist ein wenig müde, aber ihr fehlt nichts, was ein wenig Ruhe und ein warmer Stall nicht heilen könnten. Das arme alte Ding ist einfach an solche Aufregung nicht mehr gewöhnt. Aber sie ist gesund. Mach dir wegen ihr keine Gedanken. Sie wird gut zurückfinden, wenn sie Aoifes Spuren folgt. Es scheint mir, du hast schon genug Ärger, ohne dir noch wegen ihr Sorgen zu machen.«
Dann hob er mich auf Aoifes Rücken, stieg hinter mir auf, und wir ritten los.
Es war ein seltsamer Ritt; wir schwiegen die meiste Zeit und bewegten uns schneller, als ich es auf meinem Hinweg getan hatte, denn Aoife war sowohl schnell als auch sanft in ihren Bewegungen und schien kaum Anleitung zu brauchen. Die graue Stute folgte uns in einigem Abstand. Irgendwann sagte Darragh: »Siehst du diese Eule dort? Sie folgt uns, oder sie führt uns. Sie erinnert mich an den Raben, der immer in der Nähe deines Vaters ist, wo immer er hingeht. Wie ein Wächter.«
Ich nickte ins Dunkel hinaus. »Ein Wesen von der gleichen Art«, sagte ich.
»Ich verstehe. Fainne?«
»Hm?« Ich weigerte mich, über den Augenblick hinweg zu denken, über den stetigen Schritt des Ponys hinweg, den weißen Schimmer ihres Fells im Mondlicht und Darragh, der hinter mir saß, den Arm um meine Taille gelegt hatte und mit seiner Wärme die Kälte in meinem Herzen auftaute. Ich fühlte mich geborgen. Ich dachte, ich will mich daran klammern, so lange ich kann, denn es wird das letzte Mal sein.
»Ich weiß, dass du nicht mit mir kommen willst. Ich weiß, du willst nicht zurück nach Kerry. Und du hast mir gesagt, ich wäre hier nicht willkommen. Aber –«
»Aber was?«
»Ich wünschte, du würdest den Rat eines alten Freundes befolgen. Ich wünschte, du würdest wenigstens nicht in Glencarnagh bleiben. Du bist in Sevenwaters sicherer. Die Leute dort sind in Ordnung. Dein Onkel ist ein anständiger Mann. Mein Vater hat große Hochachtung vor ihm und der ganzen Familie. Und du solltest dir Zeit lassen, bevor du eine Entscheidung triffst. Du bist noch jung. Du hast alle Zeit der Welt.«
O nein, die habe ich nicht. Ich habe Zeit bis zum Sommer. Nicht länger. Mein Schicksal wird in den nächsten beiden Jahreszeiten entschieden. Aber ich kann vielleicht dafür sorgen, dass dir noch mehr Zeit zum Leben gelassen wird.
»Fertig?«, fragte ich.
Er antwortete nicht.
»Wenn ich mich recht erinnere, ist es noch nicht allzu lange her, dass du mir den Rat gegeben hast, ich sollte mir einen Mann suchen und eine Bande Kinder aufziehen«, sagte ich. »Und jetzt sagst du, ich solle warten. Was soll ich denn nun tun?«
»Verspotte mich nicht, Fainne. Wenn du schon heiraten musst, dann nimm wenigstens einen sanftmütigen Mann.«
Ich wusste nicht mehr, was ich sagen sollte. Irgendwie schaffte er es immer, die einfachsten Dinge auszusprechen und damit zu bewirken, dass ich sofort von Freude oder Verzweiflung erfüllt wurde. Wir ritten weiter, und ich glaubte sehen zu können, wie es am Himmel ein winziges Bisschen heller wurde, als wäre der Morgen nicht mehr so weit entfernt. Wieder begann der Frost in meinen Kopf zu kriechen, als hätte selbst der beste und ehrlichste Freund auf der Welt nicht mehr die Kraft, seine eisigen Finger abzuwehren.
»Darragh«, sagte ich leise, und selbst mir kam meine Stimme seltsam vor, als kämpfte ich gegen Tränen an. Aber meine Augen waren trocken. Ich war die Tochter eines Zauberers, und ich war stark. Ich würde nicht weinen.
»Ja?«
»Wenn du wüsstest, was ich getan habe, würdest du nicht mein Freund sein wollen. Wenn du es wüsstest, dann würdest du verstehen, warum du dich von mir fern halten musst. Schreckliche Dinge, böse Dinge, von denen man nicht einmal sprechen kann.«
»Warum erzählst du es mir nicht und lässt mich selbst entscheiden, was ich davon halte?«
Mein Herz begann, vor Schreck schneller zu schlagen. »Das kann ich nicht. Ich kann es dir nicht sagen.«
»Ich könnte raten.«
»Das könntest du nicht. Niemand könnte es erraten. Es ist – es ist etwas, was sich normale Menschen überhaupt nicht vorstellen können. Glaub mir einfach, dass
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