Das Kind der Stürme
Vater verboten war. Sie waren zu eng miteinander verwandt, denn ihre Mutter war seine Halbschwester. Aber sie wussten das nicht, als sie sich ineinander verliebten. Man hat Vater erst erzählt, wessen Sohn er war, als es zu spät war.«
»Aber – aber deine Mutter, Niamh, war verheiratet! Man hat sie mit einem der Uí Néill verheiratet, und sie wurde aus meiner eigenen Festung in Sidhe Dubh entführt. Sie wurde entführt von – von … Die Dagda mögen mir beistehen! Du willst doch nicht behaupten, dass Liadan von dieser inzestuösen Leidenschaft wusste und ihrer Schwester geholfen hat, in die Arme ihres Geliebten zu flüchten? Dass Liadan dabei geholfen hat, zusammen mit – das ist über alle Maßen entsetzlich! Dass so etwas in meinem eigenen Heim geschehen konnte, und während meine eigene Schwester anwesend war! Wusste Sean davon?«
»Er wusste, dass die beiden sich liebten. Deshalb hat man meine Mutter mit einem anderen Mann verheiratet und sie nach Tirconnell geschickt. Sie war sehr unglücklich. Ihr Mann war grausam zu ihr.«
»Vielleicht wollte er Niamh dafür bestrafen, dass sie etwas so überaus Schandbares getan hatte. Es scheint, dass ihr Urteilsvermögen ebenso getrübt war wie das ihrer Schwester.«
Ich verbiss mir mühsam den Zorn. »Jetzt wisst Ihr, wer ich bin, Eamonn. Das ist die Wahrheit. Ihr versteht jetzt vielleicht, wieso meine Verwandten bei ihren Antworten ausweichend waren.«
Einen Augenblick lang sah es so aus, als wollte er noch mehr sagen, aber dann blieb er einfach nur stehen und starrte ins Feuer, die Arme vor der Brust verschränkt. Ich nahm an, dass er darüber nachdachte, welch schrecklichem Schicksal er gerade noch entgangen war, als er den Göttern dafür dankte, dass er nicht mit mir geschlafen hatte.
»Aber genug davon«, erklärte ich mit einer Leichtigkeit, die zu meinem schweren Herzen überhaupt nicht passen wollte. »Wir müssen über andere Dinge sprechen: Euren Feind, Eure Rache. Denn es kommt mir so vor, als sei das das Wichtigste für Euch, so wichtig, dass es sogar mehr bedeutet als Eure Loyalität zu Euren Verbündeten und Verwandten.«
»Das zählt nicht mehr«, sagte Eamonn verächtlich. »Was immer zwischen uns war, ist vorüber. Kehre nach Sevenwaters zurück, wenn du willst, und nimm die Kinder mit. Alles soll wieder so sein wie zuvor. Ich habe keine Zukunft, Fainne. Wenn ich mich entscheide, mein Leben lang ein Phantom zu verfolgen, was interessiert es dich?«
»Vielleicht überhaupt nicht«, sagte ich leise. »Aber ich hasse es zu sehen, wie ein guter Mann sein Leben verschwendet. Und ich sagte schon, dass ich Euch helfen könnte. Ich habe die Wahrheit gesprochen, und ich werde es Euch demonstrieren. Es war allerdings zunächst notwendig zu erklären, wer mein Vater ist. Er wurde als Druide erzogen. Nachdem er die Weisen verlassen hatte, begab er sich tiefer in das Reich der Zauberei. Er hat mir viel beigebracht, wie ein Meister seinen Schüler lehrt. Das meinte ich, als ich über meine Fähigkeiten sprach.«
»Das alles interessiert mich nicht mehr.«
»Ihr habt versprochen, mich anzuhören.«
Eamonns Gesicht war eine steinerne Maske. Ich goss einen Kelch Wein ein, drückte ihn ihm in die Hand, und er trank ihn leer. Ich bezweifle, dass er auch nur merkte, was er tat.
»Stellt Euch eine Waage vor«, sagte ich ganz ruhig. »In einer Schale liegt Eure Gelegenheit, den Bemalten Mann ein für alle Mal zu vernichten. Sichere Rache; das Wissen, dass Ihr sein Leben in Euren Händen haltet. Auf der anderen Seite befindet sich eine junge Frau, eine, die wie Ihr selbst zugegeben habt, Euer Herz schneller schlagen lässt und bewirkt, dass Euer Körper sich regt. Eine, die sich für Euch aufbewahrt hat, keusch und unberührt für Eure Hochzeitsnacht. Vielleicht ist sie nicht diejenige, die Ihr liebt, aber sie wird Euch geben, was Liadan Euch nie gegeben hat. Sie wird Euch Ihre Jugend geben und schöne Söhne und reizende Töchter schenken, und sie wird nie einem anderen Mann auch nur einen Blick gönnen. Sie wird Euer Haus hell und angenehm machen und Euch mit offenen Armen willkommen heißen, wenn Ihr zurückkehrt. Sie wird Euch niemals langweilen; sie wird Euch immer wieder aufs Neue überraschen. Es gibt nur ein Problem. Ihr Stammbaum ist ein wenig ungewöhnlich. Ihr sagt Euch selbst, dass Ihr sie nicht haben wollt. Ihr stoßt sie beiseite. Und damit verliert Ihr beides. Die Waagschalen geraten aus dem Gleichgewicht, Ihr verliert Eure Zukunft, und zur
Weitere Kostenlose Bücher