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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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solltest mir mehr erzählen. Setzen wir uns hin, und vielleicht sollten wir warten, bis der Diener zurückgekommen und wieder gegangen ist. Wird er sich nachher an nichts erinnern?«
    »Das hängt davon ab, auf welche Art man den Bann über jemanden verhängt. Dieser Mann wird denken, dass ihm schwindlig geworden ist, dass er einen Augenblick lang durcheinander war und nichts weiter. Hätte ich ihn länger in der veränderten Gestalt gelassen, wäre das anders.«
    »Du würdest – du würdest einen Mann in Gestalt eines Tiers ausschicken, um Informationen zu sammeln? Könnte er das tun und dir hinterher erzählen, was er gehört hat?« Er war jetzt vollkommen begeistert und dachte schon an die Möglichkeiten.
    »Nein, Eamonn. Ich werde es Euch erklären, und dann werdet Ihr erkennen, wieso das Bild von der Waage passend ist. Ah, hier kommt der Mann mit Eurem Wein. Danke.« Ich lächelte den Diener an, als er ein Tablett mit einem frischen Krug Wein und einem kleinen Laib Brot abstellte.
    »Das ist alles für heute Abend.« Eamonn starrte den Mann an, als erwarte er immer noch, dass er wieder spitze Ohren oder einen wedelnden Schwanz bekam. »Du kannst schlafen gehen. Auch die anderen. Mach die Tür zu, wenn du gehst, und erinnere alle daran, dass wir nicht gestört werden wollen.«
    »Jawohl, Herr.«
    Der Mann zog sich zurück, und Eamonn bückte sich und legte ein weiteres Scheit aufs Feuer. Bis auf das Flackern der Flammen in der Feuerstelle und die vereinzelten Kerzen war es recht dunkel im Zimmer. Draußen heulte der Wind durch die kahlen Bäume. Hier vor dem Feuer herrschte eine beinahe verschwörerische Stimmung, eine Atmosphäre von Geheimnissen, die im Schutz der Dunkelheit geteilt wurden. Ich trank einen Schluck Wein, dann stellte ich den Kelch wieder ab. Nicht zu viel. Bisher war alles so verlaufen, wie ich es gewollt hatte. Ich konnte es mir nicht leisten, unvorsichtig zu werden.
    »Ich werde es Euch erklären, Eamonn. Ich kann einen Mann nicht in einen Hund, eine Fliege oder einen Vogel verwandeln und ihn ausschicken, um für Euch zu spionieren. In der Gestalt dieses Geschöpfs wird er sich nicht mehr an Anweisungen erinnern, und er kann die menschliche Sprache nicht verstehen. Ich könnte Euch verwandeln; ich könnte Euch zu einer Kröte oder einem Wiesel machen. Aber Ihr seid von der gleichen Art wie Euer Diener, auch Ihr würdet Euer menschliches Bewusstsein verlieren, bis ich Euch zurückverwandelte. Also wäre es sinnlos.«
    »Also wie sollen wir dann unser Ziel erreichen?«
    »Ein gewöhnlicher Mann oder eine gewöhnliche Frau kann sich nicht derart verändern und das Wissen beider Gestalten, der menschlichen und der tierischen, behalten. Dies ist nur Sehern und Zauberern möglich.«
    »Du meinst –«
    »Ich meine, wenn Ihr wollt, dass so etwas geschieht, müsst Ihr es mir überlassen. Denn ich könnte mich verändern, mich in eine Eule verwandeln, einen Dachs oder einen Hirsch, und ich kann ins Haus meines Onkels oder in die geheimen Hallen von Inis Eala eindringen und dort alles belauschen, was ich will. Ich kann zurückkehren und Euch den Schlüssel zur Vernichtung dieses Mannes überreichen. Ich habe die Fähigkeiten dazu, und ich würde es tun.«
    »Das meinst du wirklich ernst«, sagte Eamonn leise. »Es ist wahr und nicht nur die Träumerei eines jungen Mädchens.«
    »Meine Großmutter hat sechs junge Männer in Schwäne verwandelt und hätte beinahe das Haus Sevenwaters vernichtet«, erklärte ich grimmig. »Ihr solltet lieber glauben, dass auch ich zu so etwas in der Lage wäre. Es ist Eure eigene Entschlossenheit, die hier in Frage steht. Denn wenn geschieht, was Ihr wollt, ist der Feldzug meines Onkels Sean zum Scheitern verurteilt. Und Tante Aisling ist immerhin Eure Schwester. Wollt Ihr denn, dass Sevenwaters versagt und die Briten die Inseln behalten?«
    Eamonn lächelte bitter. »Wir haben doch das Kind der Prophezeiung, oder? Vielleicht können wir dennoch siegen.«
    »Ihr sprecht von dem Sohn des Mannes, den Ihr töten wollt? Ist er nicht von der gleichen Art wie sein Vater, der Mann, den Ihr für ein verachtenswertes Geschöpf haltet, nicht einmal wert, ein Mensch genannt zu werden?«
    »Der Junge ist ein fähiger Anführer und wird von den Verbündeten sehr bewundert. Er ist stark, fähig und weit über seine Jahre hinaus klug. Es stimmt, es ist undenkbar für mich, dass der Sohn dieses Mannes eines Tages Herr von Sevenwaters sein wird. Aber ein Sohn kann sich seinen Vater

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