Das Kind der Stürme
nicht aussuchen.«
»Ich verstehe.« Er hatte mich überrascht. Sein Hass war so groß, dass ich angenommen hatte, dass er ihn auch auf alles andere übertrug, was mit dem Bemalten Mann verbunden war. Wieder einmal fragte ich mich, was für eine Art Mann dieser Johnny wohl sein würde, dass alle so an ihn glaubten. »Ihr denkt also, wenn sein Vater stirbt, wird er die Verbündeten in die Schlacht führen?«
Eamonn verzog das Gesicht. »Er wird sie auf jeden Fall anführen. Das wird in der Prophezeiung ganz deutlich ausgesprochen. Was die Rolle seines Vaters angeht, die hat man mir nicht enthüllt. Wir sind vielleicht Verbündete, aber Sean verrät nur so viel, wie er will, und das ärgert mich. Ich kann nicht einschätzen, ob der Tod des Bemalten Mannes den Feldzug beeinträchtigen würde oder nicht. Und es ist mir auch gleich, denn ich muss dir gestehen, dass mir das eine sehr viel wichtiger ist als das andere. Ich will, dass du es mir zeigst, Fainne. Zeig mir, dass du tun kannst, wovon du sprichst.«
Nun bebte seine Stimme vor Aufregung. »Zeig mir, dass du dich verwandeln kannst.«
»Nein. Das werde ich nicht tun.«
»Warum nicht?«
»Weil es gefährlich ist, Eamonn. Es ist ausgesprochen anstrengend, und daher kann man solche Kräfte nicht beliebig einsetzen. Glaubt mir, dass ich dazu fähig bin, und dass ich es tun werde, wenn der richtige Augenblick gekommen ist.«
»Ich kann das alles kaum begreifen«, murmelte er, und ich sah ihm an, dass er intensiv über die verlockenden Möglichkeiten nachdachte, die ich vor ihm ausgebreitet hatte. »Mit deiner Hilfe könnte ich ihn töten, bevor noch der Sommer vorbei ist. Ich könnte wissen, was er denkt, ich könnte seine finstersten Geheimnisse erfahren. Dann kann ich sicher nicht mehr versagen, und der Mann wird von meinen Händen sterben. Bist du sicher, Fainne? Bist du sicher, dass du mir diese Informationen verschaffen kannst?«
»O ja«, sagte ich ruhig. »Daran besteht kein Zweifel. Aber es gibt einen Preis, Eamonn. Ihr seid nicht der Einzige mit einer Vision und einem Ziel.«
»Was ist der Preis?« Ich hörte ihm an, wie aufgeregt er war. In diesem Augenblick hätte ich alles von ihm verlangen können – und es erhalten.
»Ich habe es Euch schon gesagt«, erklärte ich. »Die Waagschalen, das Gleichgewicht. Wenn Ihr eine Seite akzeptiert, akzeptiert Ihr auch die andere. Wenn wir bei dieser Sache zusammenarbeiten sollen, dann auch bei allem anderen. Ich werde tun, was Ihr wollt, ich werde Euch die Informationen beschaffen, die Ihr braucht. Ich werde Euer Heim und Euer Bett teilen. Ihr werdet feststellen, dass ich auch dort über magische Kräfte verfüge. Ich werde Eure Kinder zur Welt bringen, und Ihr gebt mir Euren Namen. Diese Sicherheit brauche ich. Ich muss respektabel sein, ein Zuhause haben, einen Ort, an den ich gehöre. Ohne das werde ich es nicht tun. Denn wenn Ihr diesen Verbündeten tötet und Onkel Sean seinen Feldzug verliert, seid Ihr meine einzige Zukunft.«
Tödliches Schweigen folgte, nur unterbrochen von dem leisen Knistern und Knacken des Feuers und dem Schrei einer Eule draußen vor dem Fenster. Ich wartete darauf, dass er mir sagte, er würde keine Frau mit unreinem Blut heiraten. Wenn das geschähe, wäre ich vielleicht nicht im Stande, die Beherrschung zu wahren und ruhig zu bleiben. Auch magische Kräfte helfen einem nichts gegen diese Art von Kränkung.
»Fainne?«, sagte er leise. Er schaute in die Flammen, und ich konnte seine Miene nicht erkennen.
»Ja?« Zu meiner Schande war meine Stimme zittrig geworden, als stünde ich kurz davor zu weinen. Es war dumm gewesen, so viel Wein zu trinken. Beherrschung war wichtig.
»Komm her. Komm näher.«
Ich stand auf und kniete mich vor ihn, bis das Feuerlicht auf mein Haar schien und meiner bleichen Haut einen rosigen Schimmer geben würde. Ich sah ihm in die Augen und setzte bewusst eine unschuldige, hoffnungsvolle, harmlose Miene auf.
»Schwörst du, dass du die Wahrheit sagst? Dass du so etwas tun und damit Erfolg haben kannst?«
»Ich schwöre es, Eamonn.« Ich spielte mit dem Gedanken, noch einen weiteren Zauber zu verwenden; in etwa das Gegenteil dessen, den ich in diesem unangenehmen Augenblick oben am Wasserfall benutzt hatte. Aber ich sah seinen Blick und wusste, dass er keine solche Hilfe brauchte. Es stand Begierde in seinem Blick, aber auch noch mehr als das. Es war der Blick eines Mannes, der so zerfressen war vom Hass, dass er vor nichts zurückschrecken würde,
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