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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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eher an, als sie direkt zu zeichnen. Rings um uns her waren nun auch die Männer abgestiegen, die uns bisher bewacht hatten, und als sie ihre maskenähnlichen Kapuzen abzogen, konnte ich sehen, dass sie alle ähnliche Zeichen im Gesicht hatten, die meist recht klein waren, und nicht zwei von ihnen waren auch nur annähernd ähnlich. Jedes dieser Zeichen hatte etwas von einem Tier an sich – Dachs, Seehund, Wolf, Hirsch. Ich war die Einzige, die sie anstarrte. Für die anderen musste diese Bande bemalter Krieger ein vertrauter Anblick sein.
    »Fainne.« Es war Clodagh, die an meiner Seite aufgetaucht war und mich nun am Ärmel zupfte. »Das hier ist Johnny.«
    Der so wenig ungewöhnlich aussehende junge Mann stand neben ihr, ein freundliches Grinsen auf seinem gemusterten Gesicht. Ich schnappte nach Luft. Das da war Johnny, das berüchtigte Kind der Prophezeiung? Dieser recht bescheiden wirkende junge Mann, der kein bisschen anders aussah als alle anderen seiner Truppe? Das konnte doch sicher nicht stimmen. Ich hatte erwartet – nun, ich hatte zumindest einen Krieger von Schrecken erregender Gestalt erwartet, oder vielleicht einen Gelehrten. Nicht – nicht jemanden, der genauso gut ein Stallbursche oder ein Küchenhelfer hätte sein können.
    »So viele Verwandte«, sagte Johnny, »und alles Mädchen. Ich freue mich, dich kennen zu lernen, Fainne. Maeve hat schon viel von dir erzählt, und wir kennen all deine Geschichten.« Er ergriff meine Hand. Sein Händedruck war warm und fest. Ich sah ihm in die Augen und verstand sofort, wie sehr ich mich geirrt hatte. Seine Augen waren grau und tief. Sie betrachteten mich abschätzend, nahmen Maß und registrierten alles, was er gesehen hatte, für die Zukunft. Dieser Mann war klug. Er war ein Stratege. Und sein Lächeln war beinahe unwiderstehlich. Unwillkürlich lächelte ich zurück.
    »Schon besser«, sagte er. »Das hier ist mein Freund Evan. Evan ist Mutters Schüler. Sie sagt immer, dass er alle Anzeichen eines erstrangigen Heilers an den Tag legt. Er und Muirrin haben bei der kleinen Maeve Wunder gewirkt. Die beiden arbeiten gut zusammen.«
    Er grinste erst den dunkelhäutigen Mann und dann Muirrin an. Muirrin errötete; Evan senkte den Blick. Dann erklärte Liadan, Maeve sollte sich jetzt wieder ins Bett legen, und in dem allgemeinen Durcheinander, das entstand, als alle nach drinnen drängten und das Gepäck zu sortieren begannen, gelang es mir, nach oben und in mein eigenes Zimmer zu flüchten, wo ich die Tür hinter mir verriegelte, obwohl ich nicht einmal genau wusste, gegen was.
    Ich will ihn nicht mögen, sagte ich mir immer wieder. Ich darf ihn einfach nicht mögen. Das macht alles nur noch schwieriger. Ich setzte mich auf den Boden vor die Feuerstelle, entzündete aber kein Feuer, obwohl der Wintertag sehr kalt war. Ich fürchtete die Visionen, die ich in den Flammen sehen würde; die schrecklichen Dinge, die vor mir lagen. Das, was ich selbst tun würde, und das, was ich vielleicht nicht würde aufhalten können. Es hätte so leicht sein können, sagte ich mir. Es ist nur ein Strategiespiel. Wie Brandubh. Du weißt genau, was zu tun ist. Nun tu es einfach.
    Das war leicht gesagt. Die Dinge hier in Sevenwaters hatten sich tatsächlich verändert, und das hatte nicht nur damit zu tun, dass Liadan gekommen war und dass es Maeve nun besser ging, als jeder gewagt hätte zu hoffen. Es lag an ihm, an Johnny. Man sah es daran, wie sich die Männer an ihn wandten, daran, wie er mit ihnen sprach, freundlich, respektvoll, aber voller Selbstvertrauen, als wäre er viel älter, erfahrener und weiser, als es nach seinen Jahren anzunehmen war. Man sah es an seinem Lächeln und an seiner Haltung, an der Art, wie er seine schlichte Kleidung voller Stolz trug, als wäre er lieber Mitglied einer Truppe als ihr Anführer. Und dennoch war er genau das. Ältere Männer schwiegen, um ihn sprechen zu hören. Frauen eilten, um ihm etwas zu essen zu bringen oder seinen Kelch nachzufüllen, und erröteten, wenn er freundlich mit ihnen sprach. Er war überall gleichzeitig; er unterrichtete Seans Männer, inspizierte eine neue Scheune, unterhielt sich in der Küche mit Janis. Häufig fand man ihn an Maeves Bett, wie er ihr eine Geschichte erzählte oder zuhörte, wenn sie ihm leise ihre Geheimnisse anvertraute. Es war sein liebenswertes Lächeln, das diese Hallen erwärmte; sein Angebot, ihr zu helfen, hatte die Farbe in Aislings Wangen zurückgebracht; Sean suchte abends seinen

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