Das Kind der Stürme
dein Vater dir sehr?«
Gegen meinen Willen nickte ich.
»Mhm«, sagte sie. »Es ist ein weiter Weg nach Kerry. Ich habe mich schon gefragt, wieso Ciarán dich nicht begleitet hat, denn du bist noch zu jung, um allein so weit zu reisen. Conor hätte ihn gerne wieder gesehen. Ich bin sicher, dass er dich willkommen geheißen hat. Deine Begabung hat doch sicher bewirkt, dass mein Onkel versucht hat, dich für die Bruderschaft zu rekrutieren. Er hat nie wieder jemanden gefunden, der ein so fähiger Schüler war wie dein Vater.«
»Hör doch auf!«, fauchte ich, wütend über mich selbst, weil ich mich wieder einmal hatte von meinen Gefühlen überwältigen lassen. »Die von unserer Art können sich dem höheren Weg der Druiden nicht zuwenden. Wir sind verflucht, und daher können wir den Wegen des Lichts nicht folgen.«
Liadan zog die Brauen hoch. Ihre Augen waren so grün wie die Winterblätter im hellen Sonnenlicht, ihr Gesicht schneeweiß. »Es kommt mir so vor«, sagte sie leise, »als hättest du gerade deine eigene Theorie widerlegt.«
Selbstverständlich hatte sie Unrecht. Sie wusste nichts über die anderen Dinge, die ich getan hatte, diese schrecklichen Dinge. Sie verstand nicht, was ich immer noch tun musste.
»Du zitterst, Fainne. Du hast einen ziemlichen Schock, mein armes Kind. Komm, gib mir deine Hand, dann werde ich dir helfen.«
»Nein!« Meine Stimme klang barsch. Ich würde nicht zulassen, dass sie mir in die Augen sah und las, was ich dachte. Vielleicht glaubte sie, dass ich nicht wusste, dass sie eine Seherin war. »Es geht mir gut, Tante Liadan«, fügte ich höflicher hinzu. »Was ich getan habe, war – es war einfach, was man so tut, ein kleiner Trick, nichts weiter. Ich bin froh, dass ich helfen konnte. Aber es war nichts Besonderes.«
Sie sagte nichts mehr, aber ich spürte, wie ihr Blick weiter auf mir ruhte, klug und abschätzend. Sie ritt neben ihrem Bruder nach Hause, und sie unterhielten sich nicht laut, aber beide schienen sehr ernst zu sein. Ich fragte mich, ob sie im Geist wohl über mich sprachen, auf diese seltsame Art der Fomhóire, von denen sie, wenn ich Großmutter glauben durfte, diese Fähigkeit geerbt hatten.
***
Sevenwaters war anders als vor unserer Abreise. Ich konnte es nicht so recht begreifen; es war einfach, als wäre die Stimmung wieder heiterer, der Schrecken vorübergezogen, als hätten Sinn und Zweck wieder Einzug gehalten. Es war irgendwie, als hätte die Familie ihr Herz wiedergefunden. Aisling umarmte ihre Töchter lächelnd; Muirrin wartete hinter ihr, und neben ihr stand Maeve mit einem großen Verband um den Kopf. Ihre Schwestern eilten ihr entgegen, und alle redeten gleichzeitig auf sie ein.
»Seid vorsichtig«, warnte Muirrin. »Sie soll nur einen Augenblick aufbleiben und gleich wieder ins Bett gehen.«
Überall gab es Lächeln und Tränen. Ich hielt mich zurück, denn ich hatte keinen Anteil daran. Ich wartete darauf, dass sie fertig würden, damit ich in mein Zimmer gehen, die Tür hinter mir schließen und allein sein konnte. Damit ich irgendwohin gehen konnte, wo ich sie nicht zu sehen brauchte. Ein Kind zu retten wog nicht auf, was ich einem anderen zugefügt hatte. So einfach war das nicht.
Die Mädchen strahlten. Und Deirdre errötete. Das strahlendste Lächeln, die begeistertste Begrüßung galt jedoch nicht Aisling oder Maeve, sondern jemand ganz anderem. In der Nähe der Familie standen zwei weitere von Liadans Männern in ihrer schlichten dunklen Uniform, aber diese beiden waren nicht maskiert. Ich hatte sie zunächst für Wachen gehalten. Beide waren jung. Einer fiel sofort auf, denn seine Haut war so dunkel wie feines Eichenholz, und er trug sein Haar in kleinen Zöpfen wie ein Druide, aber geschmückt mit bunten Perlen und Federn an jedem Ende. Er stand neben Maeve und stützte das Kind mit dem Arm. Ich sah, wie Muirrin ihm etwas ins Ohr flüsterte; er lächelte, und seine weißen Zähne blitzten.
Aber es war der andere junge Mann, dem alle Aufmerksamkeit der Mädchen galt, obwohl ich mir wirklich nicht vorstellen konnte, warum. Er war ein ganz gewöhnlicher Bursche, sah recht nett aus, nicht sonderlich groß, aber kräftig gebaut, und sein lockiges braunes Haar kurz geschnitten. Dann drehte er sich ein wenig, und ich sah zu meiner Überraschung die Zeichen auf seinem Gesicht. Ein kunstvolles Muster, das ein Auge umgab und dann weiter über Stirn und Wange zog. Es war eine sehr schöne Arbeit, sie deutete einen Schnabel und Federn
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