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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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Rat, während die Männer lange über Karten und Listen brüteten. Er war der Grund dafür, dass der Haushalt seine Kraft und seine Zielstrebigkeit wiedergefunden hatte, die an Samhain verschwunden war, in der Nacht des Feuers. Ich hatte Finsternis gebracht, und Johnny hatte das Licht wieder entzündet.
    Es war kurz vor Meán Geimrhidh. In der Bucht war das Wetter um diese Zeit häufig so schlimm gewesen, dass man nicht einmal sehen konnte, wie spät es war; die Höhle lag im Schatten, Wolken hingen vor der Wintersonne. Dennoch, ich hatte es immer wissen wollen und war den Hügel hinaufgegangen, ganz gleich ob es regnete oder stürmte, hatte mich unter die Stehenden Steine gesetzt und nach Westen geschaut. Und ich dachte, wenn ich nur weit genug sehen könnte, würde ich vielleicht einen Blick auf Tir Na n'Og, die Insel der Träume, erhaschen. Aber das geschah nie. Dann saß ich einfach nur da, den Umhang gegen den Wind über den Kopf gezogen, und spürte die Kraft des Felsens in meinem Rücken wie eine große, stützende Hand, und ich träumte meine Sommerträume. Und der Sommer kam jedes Mal. Man brauchte nur zu warten und bereit zu sein. Das alles war jetzt selbstverständlich zu Ende. Ich hatte mich von der Höhle und von Vater verabschiedet. Ich hatte Darragh weggeschickt, weit weg, an einen Ort, wo er in Sicherheit sein würde, und für mich würde es keine weiteren Sommer geben.
    Ich musste üben. Um das zu tun, was ich tun musste, war eine Art von Zauber notwendig, der weit über das hinausging, was mein Vater mir gestattet hatte. Tatsächlich hatte er es sogar ausdrücklich verboten, und das mit gutem Grund. Daher musste ich meine Fähigkeiten wieder trainieren, mich disziplinieren und dafür sorgen, dass ich stärker wurde. Dann, und nur dann könnte ich versuchen, mich von einem Mädchen in ein wildes Tier zu verwandeln und, was noch schwieriger war, wieder in mich selbst zurück. Der Gedanke daran entsetzte mich. Was, wenn ich meine eigenen Fähigkeiten überschätzt hatte? Was, wenn ich mich zu einem Leben als Ente oder Kröte verdammte oder, noch schlimmer, zwischen einer Gestalt und der anderen stecken blieb? Dann wäre ich wirklich machtlos, jene zu beschützen, die ich vor ihr schützen wollte. Dieser Zauber war sehr machtvoll, eine der herausforderndsten Übungen meines Handwerks, er nahm einem die Kraft und beanspruchte den Geist aufs Äußerste. Mein Vater hatte nicht geglaubt, ich sei so weit, es schon zu versuchen. Was, wenn das immer noch so war? Die Zeit verging rasch, und es sah so aus, als sammelten sich die Männer für einen raschen Aufbruch, und Tante Liadan sprach davon, nach Hause zurückzukehren. Selbst mitten im Winter richteten diese Leute ihren Blick schon auf den Sieg des Sommers aus. Es würde nicht mehr lange dauern. Ich musste vorbereitet sein.
    Aber wie sollte ich diese Fähigkeit hier in Sevenwaters üben? Es gab keine Einsamkeit außer in meinem eigenen Zimmer, und selbst dort wurde ich ständig unterbrochen. Das Haus war voll, die Familie beschäftigt, und sie baten mich häufig um meine Hilfe bei den unterschiedlichsten Arbeiten, mit denen ich mich nicht immer auskannte. Ich lernte vieles, aber das waren die falschen Dinge: Wie man Abnäher in ein Mieder näht, wie man Äpfel in Honig und Schweinezungen in Aspik einlegt, wie man eine Gans rupft oder einen verrenkten Knöchel behandelt.
    Auch abends war es schwer, unbemerkt zu entkommen. Nachdem Johnny und seine Bande von Kriegern eingetroffen waren, war das Abendessen zu einer festlicheren Angelegenheit geworden, häufig gefolgt von Geschichtenerzählen und Liedersingen. Einer der jungen Männer hatte eine gute Stimme, und ein anderer spielte die Flöte recht gut. Im Haushalt gab es eine kleine, schön geschnitzte Harfe, und sowohl Deirdre als auch Clodagh konnten den zarten Saiten recht angenehme Melodien entlocken. In Dan Walkers Lager hatte manchmal eine recht ähnliche Stimmung geherrscht; die gleiche fröhliche Kameradschaft. Ich fand das seltsam. Hier war ich unter Verwandten, und dennoch war ich weniger ein Teil dieser Versammlung als bei den schlichten, einfachen fahrenden Leuten. Ich dachte liebevoller an Peg, die mir ein Kopftuch und ihr Lächeln geschenkt hatte, als an Tante Liadan mit ihren seltsamen Augen und ihrem Schweigen. Ich hörte ihre Musik und ihre Lieder und sehnte mich nach der einsamen Klage des Dudelsacks.
    Ich dachte daran, im Wald zu üben. Dort draußen gab es sicherlich viele Stellen, die

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