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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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ein Adler sein, etwas Starkes, Beeindruckendes, und nicht ein zitternder kleiner Federball.«
    »Druiden haben keine Tiere, die sie bei ihrem Zauber unterstützen, du Dummkopf«, sagte Waerfrith und verpasste seinem Freund einen Rückenstoß. »Das tun nur Zauberer. Und der Herr hier ist wohl kaum einer.«
    Darragh sagte nichts, er beobachtete alles nur sehr genau und runzelte die Stirn ein wenig.
    »Ich bin kein Druide«, sagte Finbar leise. »Mein Bruder begleitet Sean von Sevenwaters in diesem Unternehmen, er ist der Weiseste dieser uralten Art und wird die Vorzeichen lesen und die Rituale ausführen, die ein solches Unternehmen braucht. Ich bin hier – ich bin hier, weil –«
    »Weil Ihr hergerufen wurdet«, sagte Darragh leise. Er starrte mich immer noch an, und nun streckte er sehr langsam den Arm aus, damit er mich nicht erschreckte, bis seine schlanken braunen Finger direkt vor meiner Brust waren, mich beinahe berührten, aber dann doch nicht. »Komm, Kleines«, sagte er. »Komm her, komm schon. Ich werde dir nicht wehtun. Du weißt, dass ich das nie tun würde.«
    Es lag etwas in seiner Stimme, das mich beruhigte und mich gleichzeitig verlockte. Vielleicht war es die gleiche Eigenschaft, die das weiße Pony von der Herde weggelockt hatte, die gleiche Eigenschaft, die diesen Jungen vom fahrenden Volk zum einzigen Freund eines einsamen kleinen Mädchens in der Bucht gemacht hatte. Damals hatte ich Angst gehabt, dass andere mich sähen, und dennoch konnte ich kaum abwarten, bis er zurückkehrte, bis das fahrende Volk an diesem magischen Tag im Jahr Kerry wieder erreichte. Ich war Dan und Peg und Molly und den Fischerleuten gegenüber schweigsam und ungeschickt gewesen, aber mit Darragh hatte ich meine tiefsten Geheimnisse geteilt. Ich hatte jede Berührung gefürchtet, nur nicht die seine.
    »Komm, Löckchen«, sagte er leise. »Komm schon.«
    Ich machte einen Schritt mit meinen Vogelfüßen und noch einen, und dann saß ich auf den Fingern, die er ausgestreckt hatte. Ich spürte die Wärme seiner Hand, die mich sicher hielt, während er mir mit einem Finger der anderen Hand über den Kopf streichelte, und ich hörte seine Stimme nicht lauter als ein Flüstern: »So ist es richtig. Hab keine Angst, Löckchen.«
    »Löckchen?«, fragte Waerfrith. »Was für ein Name soll das denn sein?«
    »Er passt zu ihr«, sagte Darragh ganz ruhig. »Siehst du, sie hat ein kleines Büschel roter Federn auf dem Kopf, die alle ein wenig gebogen sind, so dass es wie Locken aussieht.«
    »Sie?« Godric zog die Brauen hoch.
    »Ohne Zweifel eine Sie«, erklärte Finbar. »Und nun sollten wir uns lieber ausruhen, denn wenn ich es recht verstanden habe, haben wir nur einen Tag, um uns zu versammeln, und dann werden wir eine Weile sehr viel zu tun haben. Es ist hier vielleicht nicht sonderlich bequem, aber zumindest sind wir im Trockenen.«
    Ich hatte schon einmal in Darraghs Armen geschlafen und mir gewünscht, ich müsste nie mehr aufwachen. Nun, als ich in seinen Händen ein warmes Nest fand, so dicht an seiner Wange, dass sein stetiger Atem meine Federn ein wenig bewegte, wünschte ich mir etwas anderes. Diese seltsame Nacht war ein unerwartetes Geschenk, denn ich hatte geglaubt, wir hätten uns schon voneinander verabschiedet, als er sich am Abend auf Inis Eala von mir abwandte. Es war ein Geschenk, ihm so nahe zu sein, seine sanfte Berührung zu spüren, seinen ruhigen Schlaf zu teilen. Wie sehr ich mir doch wünschte, wieder ein Mädchen und mit ihm allein zu sein! Es war eine Sehnsucht in mir, die mein kleines Herz beinahe zerriss; ich wollte die Hand ausstrecken und ihn in die Arme nehmen können, ich wollte ihm die gleiche Sanftheit zurückgeben, mit der er so freigiebig war, ohne je an sich selbst zu denken. Ich wünschte, ich hätte die Stimme einer Frau, nicht die eines Vogels, damit ich ihm ins Ohr flüstern konnte. Ich würde ihm sagen … ich würde ihm sagen …
    Wir schliefen, und dann war es Morgen. Ein Vogel singt im Morgengrauen und bewegt sich in den Tag hinaus, sucht Licht und Wärme, Futter und Wasser. Aber obwohl ich aussah wie einer, war ich kein Vogel. Wenn ein Zauberer sich verändert, wird er nicht zu dem anderen Wesen, er gibt sich einfach nur diese Gestalt, er betrügt die Augen der anderen. Je erfolgreicher die Veränderung ist, desto wahrscheinlicher spürt man auch das Wesen dessen, wozu man sich verwandelt hat: die Instinkte, die Veränderungen von Gleichgewicht, Sehkraft und Hörvermögen. Und

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