Das Kind der Stürme
Fomhóire haben keine hohe Magie angewendet.«
»Ah. Es gibt hohe Magie, es gibt die Magie der Zauberer, und es gibt noch eine andere Art. Man könnte vielleicht von tiefer Magie sprechen. Das ist es, worüber die Leute aus Sevenwaters verfügen und wir nicht, Kind. Selbstverständlich haben sie es nicht alle. Die meisten sind einfache Leute wie deine Mutter, willensschwach und schwach im Geist. Wieso mein Sohn sich je in diesen dummen kleinen Wirrkopf verlieben konnte, verstehe ich nicht. Niamh hat sein Leben zerstört; sie hat ihn furchtbar geschwächt. Aber nun bist du da, Fainne. Du bist meine Hoffnung.«
Ich hatte gelernt, dass es sinnlos war, ihr etwas zu entgegnen, obwohl es mich kränkte, wie sie meine Mutter abgetan hatte. »Tiefe Magie?«, fragte ich. »Was ist das?«
»Die Magie der Erde und des Ozeans. Das ist es, wo dieses Volk herkam, vor langer Zeit. Deshalb klammern sie sich so an die Inseln. Sie sind keine Zauberer, sie kennen keine Bannsprüche. Aber einige von ihnen haben die Fähigkeit, im Geist mit anderen zu sprechen, ohne Worte zu verwenden. Du kannst dir nicht vorstellen, wie ich mich abgerackert habe, das ebenfalls zu lernen. Ich habe mich vollkommen verausgabt. Aber entweder man hat diese Fähigkeit, oder man hat sie nicht. Einer oder zwei von ihnen können auch in die Zukunft sehen. Das sind beides mächtige Werkzeuge. Und einige haben Heilkräfte, die weit über die Künste eines Arztes hinausgehen.«
»Ist das alles?«
»Ist das alles, sagt sie!« Sie lachte höhnisch. »Genügt das nicht? Diese Gaben haben ausgereicht, um mich für beinahe zwei Generationen von meinem Ziel fern zu halten. Sie haben mir meinen Sohn weggenommen und ihn verweichlicht. Aber nun ist alles anders. Ich habe dich. Fainne, und ich habe ein neues Ziel, ein großartigeres als je zuvor. Dank deiner Mutter hast du ein bisschen von allem. Das war das einzig Gute, das sie für dich getan hat, so erbärmlich sie sonst auch war. Ich habe das alles wirklich nicht verstanden. Wenn Ciarán sich schon an eine von diesen Sevenwaters-Gören wegwerfen musste, warum dann nicht die andere Schwester? Ein Kind aus dieser Verbindung hätte wirklich über seltene Fähigkeiten verfügt. Aber das ist gleich, Fainne. Du hast das Blut von vier Völkern. Das muss für irgendetwas gut sein.«
Diesmal fand ich es unmöglich, sie nicht herauszufordern. »Es gefällt mir nicht, wenn du so von meiner Mutter sprichst«, sagte ich und starrte sie wütend an.
»Nein? Ich sage nur die Wahrheit, Kind. Und was bedeutet es dir schon? Du kannst dich doch sicher nicht an sie erinnern. Ich nehme an, diese Haltung kommt von deinem Vater. Er lässt nicht zu, dass schlecht über seine geliebte Niamh gesprochen wird. Für ihn war sie eine Prinzessin, ein vollendetes Wesen, das keine Fehler machen konnte. Er hat sich von ihrem Verlust verzehren lassen. Also gut, Fainne.« Ihr Tonfall hatte sich abrupt verändert. »Bisher hast du alles recht gut bewältigt, Kind; ich denke, wir können rechtzeitig fertig werden, wenn du dich weiter angemessen aufs Lernen konzentrierst. Morgen werde ich dir erklären, was von dir in Sevenwaters erwartet wird. All das, verstehst du, die Anmut, die verlockende, leichte Konversation, die Kunstfertigkeit im Schlafzimmer, all das ist nur ein Werkzeug, ein Mittel zum Zweck. Morgen werde ich anfangen, dir zu erklären, worin dieser Zweck besteht. Du hast eine große Aufgabe vor dir, Enkelin. Eine große Aufgabe. Und jetzt ins Bett mit dir; du wirst alle Ruhe brauchen, die du haben kannst.«
Als ich an diesem Abend allein in meiner Kammer lag, nur mit einer Kerze und dem Tosen des Meeres zur Gesellschaft, öffnete ich die Truhe und holte Riona heraus. Sie schien ein wenig verknittert zu sein, weil sie unter den Wolldecken zerdrückt worden war, und ich glaubte, die Spur eines Stirnrunzelns auf ihren ordentlich gestickten Zügen zu erkennen. Ich ordnete ihr gelbes Haar und schnürte die Bänder hinten an ihrem Kleid neu. Heute Abend fühlte ich mich plötzlich nicht mehr so erwachsen, und als ich die Kerze ausblies und mich ins Bett legte, behielt ich Riona neben mir – etwas, was ich lange nicht mehr getan hatte.
»Stimmt das?«, flüsterte ich ins Dunkel. »Ist das alles, was meine Mutter war, ein dummes Mädchen, das das Leben meines Vaters verdorben hat? Will er deshalb nicht von ihr sprechen? Aber er hat gesagt, dass er sie liebte. Wenn er nur öfter über sie gesprochen hätte, dann würde ich mich vielleicht auch an
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