Das Kind der Stürme
das nützen, wenn du mit den feinen Leuten in Sevenwaters am Tisch sitzt? Kannst du tanzen? Kannst du singen? Kannst du einen Mann anlächeln und bewirken, dass sein Blut rauscht und sein Herz rast? Das dachte ich mir. Glotz nicht so, Kind. Deine Erziehung war vollkommen unangemessen. Das ist die Schuld dieser Druiden, sie haben sich deines Vaters bemächtigt und seinen Kopf mit Unsinn gefüllt. Es ist gut, dass er mich gerufen hat. Wenn ich mit dir fertig bin, wirst du einen Mann um den kleinen Finger wickeln können, so ungeschickt und langweilig du auch sein magst. Ich bin eine Künstlerin.«
»Ich habe viel von meinem Vater gelernt«, sagte ich zornig. »Er ist ein großer Zauberer und wird hoch geachtet. Ich bin nicht sicher, ob wir deine … Kunst brauchen. Ich kenne mich aus, und ich werde noch besser werden, denn Vater hat mir die Liebe zum Lernen mitgegeben. Warum sollte ich Zeit und Energie auf Tischmanieren verschwenden?«
Sie lachte ihr Junge-Frauen-Lachen, das aus diesem verschrumpelten, zahnlückigen Mund so unglaubwürdig wirkte.
»O je, o je. Es stampft mit dem Fuß auf, und die Funken fliegen! Als Erstes musst du lernen, dich nicht so zu verraten, Kind. Aber es gibt mehr, so viel mehr. Ich weiß, dass dein Vater dir eine Grundlage gegeben hat, was diese Dinge angeht. Sozusagen das Knochengerüst. Aber du kannst in Sevenwaters Großes leisten, wenn du mehr aus deinen Möglichkeiten machst. Ich werde dir helfen, Kind. Glaub mir, ich kenne diese Leute.«
Von diesem Punkt an übernahm sie das Kommando. Ich war an Lektionen und Übungen gewöhnt. Ich war daran gewöhnt, lange Stunden zu üben, ständig müde zu sein und dennoch weiterzumachen. Aber diese Lektionen waren so langweilig! Ich lernte, so ordentlich zu essen wie ein Zaunkönig, in winzigen Häppchen. Ich lernte, zu kichern und scheinbare Geheimnisse flüsternd wiederzugeben. Ich lernte, mich aufrecht zu halten und meine Hüften zu schwingen. Das Letztere war bei meinem Fuß alles andere als einfach. Am Ende verlor sie die Geduld.
»In deiner eigenen Gestalt wirst du nie gerade gehen können«, sagte sie barsch. »Du wirst nie tanzen können, ohne dich zum Narren zu machen. Aber das ist egal. Du kannst einen Zauber benutzen. Mach dich so anmutig, wie du willst. Du kannst die hübschesten Füße haben, wenn es notwendig wird. Das einzige Problem ist, dass es dich ermüden wird. Warum, glaubst du, bin ich so eine schrumplige alte Hexe? Die von unserer Art leben lange. Zu lange, denke ich manchmal. Aber ich bin so geworden, weil es ungeheuer anstrengend war, die ganze Zeit Lord Colum gegenüber liebreizend zu sein und ihn nach meinem Willen tanzen zu lassen.« Sie seufzte. »Das war ein Mann! Was für eine Schande, dass diese dumme kleine Sorcha mir alles verdorben hat. Wenn sie nicht getan hätte, was sie tat, dann wäre all das nicht notwendig. Alles hätte mir gehört, und später wäre es an Ciarán gefallen. Deine elende Mutter hätte nie existiert, und du auch nicht. Denk doch nur, was ich hätte erreichen können! Alles hätte uns gehört, so, wie es sein sollte. Aber sie hat es getan, sie hat mich überlistet, sie und diese – diese Geschöpfe, die sich solch alberne Namen geben. Anderweltgeschöpfe. Ha! Die Macht ist ihnen schon vor langer Zeit in den Kopf gestiegen, das ist das Problem. Sie haben die von unserer Art ausgeschlossen. Wir waren ihnen nie gut genug, und daran erinnern sie uns nur allzu gerne. Nun, wir werden sehen, was das Feenvolk mit meinem kleinen Geschenk machen wird. Sie werden nicht mehr lachen, wenn unsere Arbeit getan ist, Mädchen.«
Ich fragte sie lieber nicht, was sie damit meinte. Sie war schnell, wenn es darum ging, sich über mich lustig zu machen und mich zu bestrafen, weil sie glaubte, dass ich zu langsam oder zu dumm war.
Es war zu spät, sagte Großmutter, dass ich noch lernen konnte, Harfe oder Flöte zu spielen. Ich weigerte mich zu singen, selbst als sie mich bestrafte, indem sie mir die Stimme nahm. Ich kam auch gut ohne Reden zurecht, denn ich war an lange Tage des Schweigens gewöhnt, und schließlich gab sie ihre Anstrengungen, mir irgendeine Art von Musik zu entlocken, auf. Sie entdeckte sehr schnell, dass ich sie im Lesen und Schreiben weit übertraf. Näharbeiten hingegen waren eine ganz andere Sache. Angeblich beherrschte ich nicht einmal die Grundlagen. Sofort wurde Material herbeigeholt, feine Seide, dünnstes Gewebe, und einfaches Leinen für die ersten Übungen. Bei Laternenlicht
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