Das Kind der Stürme
aufgelegt und Sehnen angespannt wurden.
Ich erhob mich halb, denn ich wusste, dass ich etwas tun müsste, obwohl ich immer noch unsicher war.
»Jetzt?«, fragte ich und warf einen Blick zur Seite, wo das Eulengeschöpf schweigend mit mir beobachtet hatte. Aber statt seiner runden Augen sah ich Augen dunkel wie Maulbeeren in einem Gesicht so milchweiß wie mein eigenes, aber faltig und alt und gekrönt von wildem, weißem Haar.
»Nein, Fainne«, sagte Großmutter leise und in einem Tonfall, der meine Wirbelsäule in Gelee verwandelte. »Nicht jetzt. Das da ist viel zu interessant, als dass wir es unterbrechen sollten. Ist es nicht wunderbar, wenn Männer sich streiten? Ich werde dir sagen, wann du dich einmischen sollst. Erst im letzten Augenblick, Mädchen.«
Ich konnte nicht aufhören zu zittern; sie hatte mich mit ihrem Blick gebannt wie ein Raubtier seine Beute. Ich war so entsetzt, dass ich unmöglich hätte fliehen können. Nach all dem Getöse, dem Wind, den Wolken und den Stimmen hatte sie sich am Ende doch wie ein Schatten angeschlichen.
»Wo ist das Amulett?«, zischte sie nun. »Was hast du damit gemacht? Du hast mir versprochen, dass du es nie abnehmen würdest. Du hast mich angelogen, Fainne. Wie kann ich wissen, dass du mich jetzt nicht ebenfalls betrügen wirst?« Und es kam mir vor, als würde sie größer und finsterer, so dass sie keine verrückte alte Frau mehr war, sondern eine Königin, geheimnisvoll und mächtig. Kein Wunder, dass die Fomhóire im Erdboden versunken waren.
»Ich werde dich nicht verraten, Großmutter.« Ich hatte vielleicht keinen Hauch von Magie mehr in mir, aber ich war immer noch die Tochter meines Vaters und zur Disziplin geschult. Meine Stimme war ruhig, ebenso wie mein Blick. »Ich fürchte, das Amulett ist verloren. Ich habe mich auf den Klippen verborgen, und es ist ins Meer gefallen. Aber ich brauche es nicht mehr, denn schließlich bist du jetzt hier, direkt neben mir. Wirst du mir helfen, wenn der Zeitpunkt gekommen ist?« Es gelang mir sogar ein Lächeln, obwohl ich darunter vor Angst krank war.
»Warum solltest du Hilfe brauchen? Still jetzt. Es geht weiter.«
Drunten am Graben geschah etwas. Sean und seine Anführer hatten sich dicht zusammengedrängt und berieten. Was die Krieger anging, sie machten jede Menge Lärm; es hatte sich unter ihnen herumgesprochen, was der Anführer der Briten verlangt hatte, und sie waren zornig. Am Rand des Grabens schickte Schlange hastig die Kämpfer aus Inis Eala aus, um selbstmörderisches Heldentum zu verhindern. Nur ein Massenangriff konnte eine solche Festung besiegen, auf deren Mauer es vor Bogenschützen wimmelte. Gareth und Corentin waren da draußen und hielten sie zurück, ebenso wie die älteren Männer Wolf und Ratte und viele andere. Droben am Südende, wo der Erdwall in nackte Klippen überging, glaubte ich Darragh zu sehen, das Messer in der Hand, wie er seinen Platz unter ihnen einnahm. Rasch wandte ich mich wieder Großmutter zu.
»Alles nur Gerede«, sagte sie mit einem dünnen Lächeln. »Sevenwaters kann nicht siegen, ganz gleich, welche Wahl er trifft. Wenn der Junge getötet wird, werden sie verlieren, so sagt die Prophezeiung. Wenn sie um sein Leben verhandeln, sind sie gezwungen, sich zurückzuziehen, weil ihre Ehre es verlangt.«
»Es kommt mir so vor«, erwiderte ich, während ich die Debatte beobachtete und sah, wie Finbar zu Johnny aufblickte, der dort schwankend im Turm stand, bleich wie der Tod, »dass es ihnen schwer fallen wird, ihre Männer zurückzuhalten, ganz gleich, wie sie sich selbst entscheiden. Diese Männer lieben Johnny und werden alles für ihn tun.«
Und beinahe, als hätte er dasselbe gedacht, ging Finbar nun zu Onkel Sean und begann leise auf ihn einzureden. Schweigen breitete sich in der Menge aus; als Finbar fertig war, schwiegen alle. Selbst der Wind hatte nachgelassen.
Sean von Sevenwaters richtete sich gerade auf und schaute hinauf zu seinem alten Feind.
»Wir haben einen Gegenvorschlag«, sagte er.
»Ihr habt meine Bedingungen gehört«, knurrte Edwin von Northwoods. »Ich habe keinen Kompromiss erwähnt.«
»Hört mich zumindest an«, sagte Sean. »Ihr habt uns gesagt, dass alles von der Prophezeiung abhängt. So viel ist wahr, denn dieser Ort ist das Herz unseres Glaubens; es ist für uns nicht nur ein Ankerplatz, sondern ein Zeichen unseres Bündnisses mit der Erde selbst. Ich kann nicht erwarten, dass Ihr das versteht, aber ich spüre, dass Ihr wisst, was es für
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