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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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hergeschickt.«
    »Sie hat einen Verdacht«, sagte das Eulengeschöpf. »Nicht diesen Verdacht im Besonderen, aber sie spürt deine Macht, und sie versucht, dafür zu sorgen, dass du sie nur zu ihren Zwecken einsetzt.«
    »Kein Wunder, dass sie Angst vor mir hat«, flüsterte ich. »Aber – aber ich kann jetzt keine Magie wirken. Es braucht nach einer solchen Verwandlung lange Zeit. Es könnte Tage dauern. Wie kann ich irgendetwas unternehmen, solange ich nicht zaubern kann?«
    »Du musst eben so tun als ob«, erklärte das Felsenwesen lässig. »Das da sind Menschen, und man kann sie leicht an der Nase herumführen. Wir werden dir helfen, wenn wir können. Tu so als ob. Verwirre sie mit Überraschungen. Nur so lange, bis deine Kräfte wieder zurückkehren.«
    »Nutze, was du hast«, riet das Eulengeschöpf. »Benutze das, was existiert, wie es die Druiden tun. Die natürliche Magie von Sonne und Mond, Wind und Wasser, Felsen und Feuer. Zapfe diese Macht an und nutze sie für deine Zwecke.«
    »Aber –« Ich zuckte gereizt die Achseln, während mein Herz immer noch heftig von der Erkenntnis klopfte, die mir gekommen war; der Wahrheit, die alles veränderte. Sie erfüllte mich mit Verzweiflung und Entsetzen, Stolz und Hoffnung. Ganz gleich, welch schreckliche Dinge ich bisher getan hatte, ganz gleich, welchen bösen Weg die Zauberin für mich vorgesehen hatte, ganz gleich, wie schwach ich war – heute würde ich die Tochter meines Vaters sein.
    Die Verbündeten hatten ihre Zeit gut ausgenutzt. In der kurzen Zeit seit Tagesanbruch waren sie über die Insel bis zu Northwoods' Festung marschiert und hatten nun überall am Rand des Grabens Aufstellung genommen. Bisher hatten sie noch nicht angegriffen, denn Edwin hatte ein starkes Kontingent von Bogenschützen auf dem Wall aufgestellt, wo sie in Deckung waren, und alle wussten, wie gut die Briten mit dem Langbogen umgehen konnten. Alle schienen sie auf etwas zu warten. Unterhalb eines bestimmten Punkts an dem Wall, wo die Befestigungen Platz für einen Wachposten ließen, warteten die Anführer der Iren hinter dem Graben. Sie waren dort alle versammelt. In der Mitte stand Sean von Sevenwaters, ernst und bleich, mit den beiden verbundenen Ringen auf dem Waffenrock, Welt und Anderwelt, das Zeichen für die Menschen des Waldes und ihre geheimnisvollen Beschützer, deren Zukunft heute von den Menschen abhing. Dort war Eamonn von Glencarnagh in seinem gewohnten Grün und strich sich eine Locke aus der Stirn, während er die Augen zusammenkniff, um auf den Mauern nach Feinden Ausschau zu halten. Er hatte Ringe unter den Augen; vielleicht hatte er schlechte Träume gehabt, Träume, in denen der geringste Irrtum einem Mann seine lang angestrebte Rache wieder entzieht … etwas so Banales wie die Ähnlichkeit zwischen Vater und Sohn, beide in Schwarz gekleidet und unter Wasser. Dort waren die Häuptlinge der Uí Néill mit ihren schönen Waffen und ihrer kostbaren Kleidung, und der kreidebleiche Bran von Harrowfield, begleitet von Schlange und Möwe und den jungen Männern aus Johnnys Truppe, die den ersten Tag überlebt hatten. Der große, kräftige Gareth; der leidenschaftliche, gut aussehende Corentin … und Darragh. Und zu meiner Überraschung wartete bei diesen Kriegern auch der Erzdruide Conor, aufrecht und streng in seinem weißen Gewand, mit dem goldenen Reif um den Hals, und neben ihm sein Bruder Finbar, der Mann mit dem Schwanenflügel. Niemand wagte es, zu dicht neben ihm zu stehen. Sie betrachteten ihn mit Respekt, aber eine solche Andersartigkeit ruft auch Angst hervor, selbst bei den erfahrensten Kriegern. Und dennoch hatte Darragh sich keinen Augenblick vor ihm gefürchtet. Darragh verstand wilde Geschöpfe, er kannte sie so gut, dass es kein Wunder war, wenn die Menschen sagten, er wäre beinahe selbst eines. Er wusste, wie er Angst in Liebe verwandeln konnte: mit Geduld.
    Eine solche Versammlung ließ erwarten, dass wichtige Ereignisse bevorstanden. Es musste eine Art Herausforderung gegeben haben: Ergebt euch, oder wir stürmen die Festung. Gebt auf, oder wir belagern euch und hungern euch aus. Nun warteten sie auf die Antwort. Oder vielleicht war es Northwoods, der die Herausforderung überbracht hatte, denn nun erschien oben auf dem Erdwall eine kleine Gruppe von Briten, einer davon mit einer weißen Flagge, um den Wunsch auf ein Gespräch ohne Angst und Kampf auszudrücken. Die Männer aus Erin bewegten sich ein wenig, hier klirrte Metall, dort hörte

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