Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
Vom Netzwerk:
wurde müde. Ich konnte sehen, wie er das Gewicht verlagerte und erneut sein Gleichgewicht fand. Ich bemerkte die Veränderung im Blick seiner grauen Augen, als er die Nähe des Todes spürte. Wenn er diesen Kampf verlor, würde er tatsächlich alles verlieren.
    Edwins Sohn blutete aus einer tiefen Wunde an der Schulter und einem Schnitt im Oberschenkel. Er war vor Anstrengung rot angelaufen und glänzte vor Schweiß. Johnny war totenbleich; ich spürte einen Schatten über ihm und wappnete mich. Bald schon würde er am Boden liegen, die Waffe des anderen Mannes an seiner Kehle, und ich würde nach draußen rennen müssen, und – und –
    Edwins Sohn stieß zu, und diesmal war Johnnys Gleichgewicht nicht ganz vollkommen. Er glitt aus, er schwankte einen Augenblick, und die Waffe seines Feindes glitt an seiner Seite entlang, riss durch Tuch und Haut. Johnny öffnete die Augen ein wenig weiter, öffnete den Mund und schloss ihn wieder.
    Edwins Sohn trat einen Schritt zurück, packte sein Schwert fester und bereitete sich auf den letzten Schlag vor. Johnny machte einen Schritt vorwärts, drehte sich auf dem Absatz herum und riss den Fuß hoch, um dem anderen Mann die Waffe aus der Hand zu treten. Das schwere Schwert flog durch die Luft, und die Menge schrie wie ein einziger Mann auf. Einen Augenblick später lag der Brite am Boden und Johnny stand über ihm, die Schwertspitze einen Finger breit von der Kehle des Mannes entfernt. Johnny trug Schwarz, aber ich konnte sehen, wie das Blut aus der großen Wunde floss, die Edwins Sohn ihm beigebracht hatte, und wie sein Gesicht noch bleicher wurde, als sich die Sonne über die Wolken schob, um die Szene mit unheimlicher Helligkeit zu beleuchten.
    Einen Augenblick lang stand Johnny beinahe reglos da, und die Menge schwieg und wartete. Die Anführer standen in einer Gruppe zusammen, Sean, Conor und Eamonn, und Bran von Harrowfield nicht weit entfernt; ich suchte nach Finbar und fand ihn seltsam allein auf der anderen Seite des Kreises. So verborgen ich auch sein mochte, schien er dennoch in meine Richtung zu schauen, und was noch seltsamer war, ich glaubte hören zu können, was er dachte.
    Jetzt wäre ein geeigneter Zeitpunkt. Wir werden dir helfen.
    »Jetzt wäre ein geeigneter Zeitpunkt«, murmelte ich. »Findest du nicht?«
    »Still!«, zischte Großmutter, die plötzlich recht schlecht gelaunt war. »Was sagt er da?«
    Johnnys Augen waren dunkle Teiche, sein Mund grimmig. Er warf einen Blick zu seinem Vater und zu Sean. Dann schaute er den bleichen Edwin von Northwoods an.
    »Sollte das ein Kampf bis zum Tod sein?«, fragte er höflich und mit der Stimme eines Mannes, der kurz davor steht, das Bewusstsein zu verlieren.
    Aus der Menge erklang Jubel, dann schwiegen sie wieder. Es kam mir so vor, dass wir am Rand einer Katastrophe standen, wie immer die Antwort lauten würde. Und wenn es überhaupt jemanden gab, dessen Urteil ich achtete, dann war das Finbar. Ich stand auf und kam langsam aus dem Versteck von Busch und Felsen, und mein Haar wurde in der wieder auffrischenden Brise wild um meinen Kopf geweht. Die rote Fahne, das Zeichen zum Angriff. Mein Herz klopfte vor Schreck.
    Hinter mir lachte Großmutter entzückt. »Gut, Fainne, gut! Ich bin stolz auf dich, Mädchen.«
    Ich spürte keinen Hauch von Magie in mir. Meine Helfer aus der Anderwelt waren verschwunden. Großmutter stand direkt hinter mir und sah zu. Und nun hinkte ich vorwärts, vollkommen unbewaffnet, ein Mädchen in einem gestreiften Kleid mit einem Seidenschal und einem Kinderspielzeug im Gürtel, und eine große Armee Furcht erregender Krieger teilte sich unter leisem Gemurmel, um mich durchzulassen. Warum sie das taten, hätte ich nicht sagen können. Vielleicht war es nichts weiter als die schlichte Überraschung, dass eine so unwahrscheinliche Gestalt hier erscheinen sollte, auf dieser einsamen Insel, wo es doch um solch ernste und gefährliche Angelegenheiten ging. Einige glaubten vielleicht, ich wäre selbst ein Geschöpf der Anderwelt. Schweigen senkte sich herab, als ich mich dem offenen Bereich näherte, wo die beiden Krieger immer noch wie erstarrt verharrten. Nun befand sich eine Blutlache am Boden, das vermischte Blut zweier Völker. Mach weiter, schien Großmutters Stimme zu flüstern. Ich warf einen Blick über meine Schulter, sie war jetzt direkt hinter mir, in einen dunklen Kapuzenumhang gehüllt, und sie verharrte am Rand der Menge und beobachtete jede Bewegung. Bring es zu Ende. Töte

Weitere Kostenlose Bücher