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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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nicht. Langsam kehrten meine Fähigkeiten zurück, meine Finger kribbelten, mein Blut floss rasch, ich konnte spüren, wie es mich erfüllte wie ein tiefer Zorn, der unaufhaltsam war und immer stärker wurde. Dennoch, ich stand dort wie erstarrt in meiner Trauer, gelähmt von meinem Verlust, und neben mir standen die Söhne von Sevenwaters und von Northwoods, beide kurz davor, zu verbluten, wenn ich ihnen nicht bald helfen würde.
    »Wer soll der Erste sein?«, zischte Lady Oonagh und fletschte die Zähne wie eine Katze auf der Jagd, als sie eine weitere Welle durch den Kreis schickte, tiefrot, die Farbe von Herzblut. Finbar schrie auf, und sie lachte. Ich sah etwas, das aussah wie Rauch, aus dem weichen Gefieder des Schwanenflügels aufsteigen; das Gesicht des Sehers hatte jegliche Farbe verloren und war vor Angst verzerrt. Beim nächsten Mal würde er sicher nicht mehr standhalten können. Großmutter hob die Arme, ein wildes Grinsen verzerrte ihr Gesicht, und nun wurde der Himmel wieder heller, die Sonne erschien aus ihrer seltsamen Verborgenheit, und ein großer Vogel flog über den Kreis, so dicht an den Augen der Zauberin vorbei, dass sie zurückzuckte. Dann landete der Rabe auf den Schultern einer Gestalt im dunklen Umhang, die so abrupt wie durch Magie unter den Zuschauern erschienen war. Die Zauberin hob abermals die Hände, und sie schien Funken aus der Luft in ihre Finger zu ziehen. Sie war von gleißender Helligkeit umgeben und wirkte viel größer, als es eine sterbliche Frau sein konnte.
    »Du!«, kreischte sie. »Du, der mir einmal getrotzt hat, du, der ertragen hat, was kein Mann ertragen könnte – diesmal werde ich dich töten!«
    Sie riss die Arme abwärts und zeigte damit direkt auf Finbar, der vor Schmerzen keuchend, aber immer noch mit offenem, klarem Blick am Boden kniete und sich weiterhin anstrengte, das schützende Feuer aufrechtzuerhalten.
    »Jetzt!«, zischte sie, und die seltsame Flamme schoss von ihren Fingerspitzen über den Kreis hinweg. Die dunkel gekleidete Gestalt schob die Kapuze zurück und hob die Hände, streckte sie an den Seiten aus, die Handflächen nach oben, wie es Conor tat. Die Funkenlinie, die von den Fingern der Zauberin ausgegangen war, zischelte und verging.
    »Ich denke nicht, Mutter«, sagte Ciarán, der ruhig dastand, den Raben auf seiner Schulter. Sein Blick war kühl, sein bleiches Gesicht ruhig. Er mochte vielleicht todkrank gewesen sein, aber nun sah er gesund aus. Sie hatte mich angelogen. Sie hatte mich manipuliert, und ich hatte ihr geglaubt. Wie viel mehr von ihren Drohungen waren nichts weiter gewesen als vergiftete Lügen, die sie benutzte, um mich so zu verängstigen, dass ich ihr gehorchte?
    »Du!«, zischte sie wütend. »Wie kannst du es wagen, dich einzumischen, du fehlgeleiteter Schwächling mit deinem Kopf voller Druidenideen! Kein Wunder, dass deine Tochter am Ende die Prüfung nicht bestanden hat! Ihr habt sie verdorben, du und diese nutzlose kleine Frau, deine kostbare Niamh mit ihrer sanften Art und ihrem leeren Kopf. Nur gut, dass ich sie am Ende losgeworden bin, oder aus dem Mädchen wäre nie etwas geworden. Aber Fainne hat meine Erwartungen nicht erfüllt. Sie hat im letzten Moment die Nerven verloren.«
    Mein Vater trat sehr bedächtig einen Schritt vor. Er konnte den Kreis offenbar ohne Schwierigkeit überqueren.
    »Was hast du da gesagt?«, fragte er leise.
    »Das Mädchen ist nichts wert, genau wie ihre Mutter.« Lady Oonaghs Stimme hatte sich allerdings ein wenig verändert, als wäre sie überrascht oder verängstigt. Über uns tauchte die Sonne nun schneller aus dem Dunkel auf, der Tag wurde wieder heller.
    »Das meinte ich nicht. Du hast gesagt, du wärest Niamh losgeworden. Was bedeutet das, Mutter?«
    »Nichts weiter als ein kleiner Unfall. Ein Ausrutscher auf einem Sims. Ein kleiner Schubs in den Rücken, und schon war sie weg. Sie war nicht gut für dich, Ciarán. Du hättest ein großer Mann sein sollen; ein mächtiger, einflussreicher Mann. Sie hat dich verwöhnt und das Mädchen geschwächt. Sie musste verschwinden.«
    Die Augen meines Vaters blitzten vor Zorn. Solche Gefahr lag in diesem Blick, dass selbst eine Zauberin erbebte. Was mich anging, so ließen mich ihre Worte vor Entsetzen zittern. Ich kannte Großmutter gut, aber selbst ich konnte kaum glauben, dass sie das getan hatte. Es war sie gewesen, die ihnen am Ende ihr Glück genommen hatte, nicht Sean, nicht Conor, nicht ein grausamer Ehemann oder eine

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