Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
Vom Netzwerk:
das Gift in ihren Augen echt und erschreckend war. Ich spürte nichts außer der Leere in mir und dem Wissen meiner eigenen Macht.
    »Dies ist etwas, das du selbst tun musst, Fainne«, erklärte die Herrin des Waldes. »So ist es vorherbestimmt. Beende die lange Dunkelheit. Benutze, was du gelernt hast.«
    Und so schaute ich direkt in die Augen meiner Großmutter, die das Spiegelbild meiner eigenen waren, und sprach die Worte eines kleinen Zaubers, den ich vor langer Zeit unter ihrer Anleitung vervollkommnet hatte. Ich hatte das immer gut gekonnt, und nun erfüllte mich die Magie so stark und sicher wie in den Tagen von Kerry, den Tagen, bevor ich von zu Hause weggeritten war und erfahren hatte, dass Liebe das grausamste von allem sein konnte. In dem Augenblick, bevor sie sich veränderte, sah ich in ihren Augen, dass sie wusste, was geschehen würde, ich sah ihr Entsetzen.
    »Von all dem Bösen, das du getan hast«, flüsterte ich, »gibt es eine Sache, nur eine, die ich dir nie verzeihen kann. Aber ich werde dich nicht töten. Du kannst sehen, wie du zurechtkommst, wie wir anderen auch.« Dann schnippte ich mit den Fingern, und die Furcht erregende Zauberin wurde zu einem Bauernhuhn, das zu meinen Füßen leise gackerte, erschreckt von der Menschenmenge. Wieder schnippte ich mit den Fingern, und eine kleine Schlange glitt dahin und wand sich, dunkel wie reife Maulbeeren, versuchte, rasch zu fliehen, bis ich sie in eine glänzend schwarze Küchenschabe verwandelte. Irgendwo hinter mir spürte ich, wie sich Federn bewegten und sich etwas veränderte. Ich hob die Hand und flüsterte; die Küchenschabe wurde eine rundliche Feldmaus, gut genährt vom Getreide des letzten Jahres. Sie huschte davon, denn nun gab es dort einen großen, moosbewachsenen Stein, unter dem sich ein kleines Geschöpf gut verstecken konnte. Aber als die Maus den Stein erreichte, rollte der davon, und in diesem Augenblick schoss ein Vogel vom Himmel, rasch und tödlich, und erhob sich wieder mit der quiekenden, kämpfenden Kreatur fest im Schnabel. Die Eule landete oben auf dem moosbewachsenen Stein, sie schluckte einmal, und alles, was von der Maus noch übrig blieb, war ein wild zuckender Schwanz, der aus dem Schnabel hing. Die Eule schluckte noch einmal, und die Maus war verschwunden. Niemand hatte ein Wort gesagt.
    »Komm jetzt, Fainne.« Die Herrin des Waldes streckte abermals die bleiche, glatte Hand aus und wollte mich wegführen. »Es ist Zeit.«
    Sie wandte sich den versammelten Männern zu, Sean und Conor und auch den britischen Anführern. »Das Mädchen hat die Wahrheit gesagt«, erklärte sie. »Hört auf ihre Warnung und auf die meine. Nach diesem Tag wird hier niemand mehr sicher sein. Nach diesem Tag darf niemand mehr die Inseln betreten, außer dieser jungen Frau. Benutzt eure Schiffe, bringt eure Männer sofort hier weg, segelt zu sicheren Häfen. Wenn ihr auf den Inseln bleibt, werdet ihr umkommen. Die Prophezeiung ist erfüllt. Der Kampf ist vorbei. Geht nach Hause und beginnt euer Leben von neuem.«
    »Eure Söhne sind schon dabei, die Friedensbedingungen auszuhandeln.« Das war der Mann mit dem Flammenhaar, seine Stimme feierlich und tief wie Donner. »Die Verhandlungen verlaufen gut, da ein so weiser und mutiger Mann wie das Kind der Prophezeiung beteiligt ist. Denn zweifelt nicht daran: Der junge Mann hat seine Rolle in dieser Sache gespielt; ohne ihn wäre der Kampf nicht gewonnen worden, denn er ist es, der euren Männern das Herz gibt, das sie leben lässt. Ohne ihn wird es keinen Frieden zwischen Northwoods und Sevenwaters, zwischen Harrowfield und seinem Nachbarn geben. Johnny ist euer eigenes Kind, ihr habt sein Leben bestimmt.« Ich hörte ein leises Hüsteln hinter mir; die Alten waren zu diesem Thema offenbar etwas anderer Ansicht, aber sie widersprachen nicht. »Der Junge ist ein Beispiel für euch alle. Folgt ihm, und vielleicht werdet ihr zu beiden Seiten des Wassers Frieden erleben. Folgt ihm, und vielleicht könnt ihr sowohl Ländereien als auch Wald einige Zeit erhalten. Einige Zeit.« Hinter seinen bewegenden Worten lag die tiefe Traurigkeit.
    »Jetzt, Fainne.«
    Ich konnte mich nicht länger weigern, die Zeit war gekommen. Die Krieger verteilten sich rasch, einige eilten unter Schlanges Befehlen zur Bucht und beluden die Schiffe und machten alles fürs Auslaufen fertig. Es mussten viele Männer vom Ufer weggetragen werden, und es würde ein Wunder an Organisation brauchen. Aber die Männer von Inis Eala

Weitere Kostenlose Bücher