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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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großen dunklen Augen an. Vielleicht, dachte ich, waren sie müde von ihrem Bad.
    »Du siehst hübsch aus«, sagte eine plötzlich und brach danach in nervöses Kichern aus. Die anderen brachten sie zum Schweigen, dann waren sie einen Augenblick lang alle still, und dann gab es weitere Heiterkeitsausbrüche. Und weil ich nicht wusste, ob sie es ernst gemeint hatte oder mich nur neckte, konnte ich gar nichts sagen.
    Es war genau, wie Darragh gesagt hatte. Wir erreichten den Talboden und eine Weggabelung, und plötzlich waren überall Leute, Männer zu Pferd, Jungen, die Ponys führten, Bauern mit schwer beladenen Wagen, seltsam gekleidete Leute mit Jonglierbällen oder bunten Vögeln in Käfigen. Es gab einen geschlossenen Wagen mit einem in Schwarz gekleideten Burschen, der mürrisch auf dem Kutschbock saß und ein mageres altes Pferd antrieb. Neben ihnen ging ein jüngerer Mann her, und im Gehen pries er die Wirkung seiner diversen Elixiere an: Liebestränke, magische Krafttränke, Flüche gegen Feinde. »Kommt alle her«, rief er mit großer Lebhaftigkeit und noch größerem Selbstvertrauen. »Krankheiten werden geheilt! Die Zukunft vorhergesagt! Ihr findet den Großmeister unter den alten Eichen nördlich des Rennplatzes. Ihr werdet garantiert zufrieden sein.« Ich starrte ihn an, als sie an uns vorbeikamen, und ich fragte mich, was dieser Bursche wohl in seinen Mixturen hatte. Ein paar Kräuter, einen Spritzer Honig? Nichts sonderlich Wertvolles, nahm ich an. Aber viele rannten hinter seinem Wagen her. Dumm genug, dachte ich. Sie würden bald schon ihr Silber loswerden und nichts dafür bekommen.
    Wir teilten die Straße nicht lange mit der immer größer werdenden Menge, sondern nahmen eine Abzweigung nach Westen und erreichten bald eine geschützte Wiese, die von Holundersträuchern umgeben war und an der ein flinker Bach vorbeiplätscherte. Hier hielten wir an, und das Lager wurde aufgeschlagen. Diesmal wurden die Wagen vollständig ausgepackt, Zelte errichtet und eine Feuerstelle mit einem Steinkreis darum in der Mitte der offenen Fläche gebaut, mit genügend Platz ringsumher, dass viele Leute bequem sitzen konnten. Die Pferde wurden ausgeschirrt und dann im Schutz der Bäume angepflockt, und die Jungen fingen an, sie zu striegeln, eines nach dem anderen, und sie nach der langen Reise auf mögliche Verletzungen zu untersuchen. Ich nahm an, dass wir während des Marktes hier bleiben, jeden Tag zum Marktplatz gehen und abends ins Lager zurückkehren würden. Ich konnte das Meer in der Ferne hören, ein anhaltendes Rauschen kleiner Wellen.
    Die Frauen und Mädchen hatten jetzt ein großes Zelt, und hier erhielt ich meine eigene Ecke, die Peg mir mit einem Zwinkern zuwies. Als ich mein Bettzeug ausrollte und das Schloss an der Holztruhe überprüfte, hatte ich Gelegenheit, ihr meinen Dank zuzuflüstern, und sie grinste schief – ganz ähnlich wie ihr Sohn. Sobald meine Sachen ordentlich ausgebreitet waren, floh ich aus dem Zelt, an den Bäumen vorbei und einen schmalen Weg nach Westen entlang. Es war nicht weit. Ein kurzer Kiespfad zwischen struppigen Büschen, eine sanfte Anhöhe hinauf, und es lag vor mir. Die Wellen rollten träge heran und leckten an dem sauberen weißen Strand, der sich zwischen hohen Felsvorsprüngen nach Norden und Süden streckte. Weiter draußen gab es Gischtwolken und dunkle Felsen. Es sah so aus, als schützte ein großes Riff diese friedliche Bucht. Die untergehende Sonne war noch näher auf die riesige Wasserfläche zugewandert und verwandelte den Sand in helles Gold. Hier und da waren am Strand Gestalten zu sehen: zwei Jungen, die auf ihren Ponys ein Rennen auf dem Streifen zwischen Land und Wasser veranstalteten; ein Junge mit einem schwarzen Pferd, die sich in die Brandung stürzten und dann wieder an Land kamen und sich beide schüttelten, um das Wasser in einem silbernen Schauer loszuwerden. Leute gingen spazieren, ein Paar Hand in Hand, ein Mädchen sammelte Muscheln.
    Ich saß dort eine Weile und sah zu. Ich blieb lange genug, um mich zu beruhigen, um wieder gleichmäßig zu atmen und mir zu sagen, dass ich es schaffen könnte, es schaffen würde. Vielleicht würden sie, wenn sie sich am Abend ums Feuer versammelten, nicht merken, wenn ich mich früh zum Schlafen zurückzog. Vielleicht konnte ich einfach im Lager zurückbleiben, wenn sie zum Markt gingen, und mich dann hierher setzen und das träge Muster beobachten, das sich stets veränderte und dennoch gleich blieb.

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