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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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Fuß des Felsens klatschten. Eine weitere kleine Insel lag ganz in der Nähe. Selbst nach meinen Maßstäben waren diese Inseln ein trostloser Ort.
    »Von unserer Bucht aus kann man sie nicht sehen«, sagte Darragh. »Man nennt sie Skelligs. Und es leben Menschen dort.«
    »Sie leben dort? Wie soll das möglich sein?«
    »Es sind christliche Eremiten, heilige Männer. Es ist angeblich gut für die Seele. Die Nordmänner sind dort einmal gelandet, haben die meisten Brüder umgebracht und das Wenige, was sie besaßen, zerstört. Aber die überlebenden Eremiten sind geblieben. Ein seltsames Leben. Stell dir doch nur vor, was man dabei alles verpasst!«
    »Aber es wäre zumindest ruhig«, sagte ich ein wenig gereizt. Ich starrte immer noch auf die Flecken im Meer hinaus und staunte darüber, dass sich jemand für ein solches Leben entscheiden konnte.
    »Es wird dir ein bisschen zu viel, wie?«
    Ich schwieg.
    »Du bist einfach nicht an Leute gewöhnt, das ist alles. Es wird im Lauf der Zeit leichter werden. Du brauchst vor uns keine Angst zu haben.«
    »Angst?«, fragte ich. »Warum sollte ich Angst haben?«
    Darragh dachte einen Augenblick lang nach. »Weil alles so neu ist?«, schlug er vor. »Weil du an die Stille gewöhnt bist; daran, nur mit deinem Vater dort eingeschlossen zu sein? Weil ihr nicht wollt, dass man euch sieht?«
    Trübsal senkte sich über mich wie meine eigene kleine graue Wolke. Ich starrte schweigend aufs Meer hinaus.
    »Stimmt doch, oder?«, fragte Darragh.
    »Kann sein.«
    »Vielleicht möchtest du lieber eine Eremitin sein und auf einem Felsen im Meer wohnen und Seetang und Muscheln essen? Dann brauchst du an niemanden außer dich selbst zu denken.«
    »Was soll das denn heißen?«, fauchte ich.
    »Nicht mehr und nicht weniger, als was ich gesagt habe.«
    »An einem solchen Leben ist nichts Falsches«, sagte ich. »Zumindest ist man … in Sicherheit.«
    »Das ist schon eine komische Art, es zu betrachten. Was ist mit den Klippen? Was ist mit den Nordmännern? Und mit dem Verhungern im Winter? Oder würdest du einfach mit dem Finger schnippen und einen anderen Eremiten in einen schönen fetten Kabeljau verwandeln?«
    Ich erstarrte. Ich konnte ihn nicht ansehen. Es wurde plötzlich sehr still.
    »Fainne?«, fragte er schließlich. »Was ist los?«
    Nun erst wusste ich, dass seine Worte vollkommen unschuldig gewesen waren – ein Witz –, und dass es mein eigener Geist gewesen war, der mich erschreckt hatte.
    »Nichts.«
    »Ich mache mir Sorgen um dich. Diesen Sommer war jemand anders in der Honigwabe, nicht wahr?«
    »Meine Großmutter war zu Besuch.«
    »Aha. Und deshalb bist du nicht rausgekommen?«
    »Das war einer meiner Gründe.«
    »Und was waren die anderen?« Er runzelte die Stirn, hatte die dunklen Brauen zusammengezogen.
    »Ich … ich kann keine gewöhnlichen Sachen mehr machen. Ich kann keine Freunde haben. Ich darf nicht zulassen, dass solche Dinge mir in den Weg geraten. Es ist schwer zu erklären. Das hier ist schon schlimm genug – auf dem Wagen zu sitzen, reden und zuhören zu müssen und … ich kann es einfach nicht mehr. Ich … ich darf nicht zulassen, dass mir jemand nahe kommt.«
    Darragh antwortete nicht. Ich starrte auf den Boden. Ich wusste, dass er mich ansah, aber ich wollte diese allzu ehrlichen braunen Augen nicht sehen.
    »Tut mir Leid«, flüsterte ich.
    »Mir auch«, sagte er bedächtig. »Hört sich alles ziemlich seltsam an. Du glaubst vielleicht, dass du zu fein für uns bist. Aber dort, wo du hingehst, gibt es Leute, mit denen du verwandt bist. Es wird dir gut tun, Fainne. Sie werden dich gerne aufnehmen. Andere Menschen sind gar nicht so schlimm, wenn man sie erst mal kennt. Und es ist nur richtig, Verwandte und Freunde zu haben. Ich verstehe nicht, wie du ohne das zurechtkommen konntest.«
    Ich zog mein Tuch fester um meine Schultern. »Nein, das kannst du wohl nicht verstehen«, sagte ich. »Aber die von unserer Art haben keine Freunde.«
    Dann drehten wir uns um und kehrten den Hügel hinab zurück, und an den steilsten Stellen nahm Darragh meine Hand, und wir schwiegen beide, bis wir beinahe unter den Ulmen standen und hören konnten, wie Molly über einen Witz von Peg lachte.
    »Du musst aber«, sagte Darragh. »Manchmal bekommt man Freunde, auch wenn man das gar nicht will. Und wenn man sie erst mal hat, kann man sie nicht so schnell wieder loswerden.«
    »Ich gehe weit weg«, sagte ich.
    »Ich gehöre zum fahrenden Volk, erinnerst du dich?«,

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