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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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könnten. »Sieht so aus, als hätte Darragh sich entschieden«, fuhr sie fort.
    »Entschieden? Wozu entschieden?«, fragte ich und nahm einen Becher mit dampfendem Kamillentee entgegen.
    »Diarmuid O'Flaherty und seine Pferde«, sagte Aidan, der sich auf einer Bank niedergelassen und den Arm um Roisin gelegt hatte.
    »Hat er dir nicht davon erzählt?«, fragte Roisin, als ich keine Antwort gab.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »O'Flaherty hat Dad all die Jahre bedrängt, Darragh bei ihm auf dem Hof zu lassen, damit er helfen kann, dort die Pferde auszubilden. So war es, seit Darragh seinen Zauber mit diesem Pferd gewirkt hat, das keiner von O'Flahertys Männern auch nur anfassen konnte. Das ist schon länger her. Er kann einfach gut mit ihnen umgehen, unser Darragh, wie sonst keiner. Und O'Flaherty hat gute Pferde. Es wird eine große Chance für Darragh sein. Aber wir werden nicht sesshaft. Er hat immer Nein gesagt. Er wollte lieber wieder auf die Straße nach Kerry, Pferde oder nicht.«
    »Sieht aus, als würde er sich jetzt doch niederlassen«, stellte Aidan fest. »Vielleicht hat es mit einem Mädchen zu tun. O'Flaherty hat zwei hübsche Töchter.«
    Roisin warf ihm einen wütenden Blick zu. Was mich anging, ich saß da mit meinem Becher in der Hand und sagte kein Wort.
    »Es kommt ziemlich überraschend«, sagte Roisin. »Dad ist froh, aber gleichzeitig auch traurig. Er weiß, dass es eine gute Gelegenheit für Darragh ist. Aber er wird uns allen fehlen.«
    »Vielleicht wird es nicht so schwer werden«, sagte Aidan. »Ihr werdet ihn ja auf dem Markt sehen. So geht es hier bei uns in Caenn na Mara«, erklärte er mit einem Blick zu mir. »Sommer im Hügelland, Winter an der Küste. O'Flaherty hat große Ländereien. Wer in diese Familie einheiratet, wird auf die Füße fallen, das ist mal sicher.«
    »Wer hat hier irgendwas von Heiraten gesagt?«, schnaubte Roisin und versetzte ihm einen Rippenstoß.
    »Das werden die Leute aber sagen.«
    »Die Leute können sagen, was sie wollen. Das macht es nicht wahrer. Ich hätte nie gedacht, dass Darragh so etwas tun würde. Er hat uns alle überrascht.« Sie sah mich an. »Ich dachte, dir würde er es als Erster erzählen.«
    Danach ging alles sehr schnell. O'Flaherty wollte sich am nächsten Tag auf den Heimweg machen und Darragh mitnehmen. Die Leute versammelten sich am Abend um das Feuer, aber die Luft war bitter kalt, und niemand war in Feststimmung. Ich sagte, ich sei müde, und blieb im Zelt. Die Leute unterhielten sich leise und tranken ihr Bier. Es gab keine Geschichten und auch nicht viel Lachen. Später bat jemand Darragh, Dudelsack zu spielen, aber es war Dan Walker, der sie mit ein paar Liedern unterhielt. Ich konnte ihn nicht sehen, aber ich hörte es am Ton. Dan spielte korrekter als Darragh, aber es hatte nicht so viel Herz.
    Viel später, als alle schliefen und es wieder angefangen hatte zu regnen, hörte ich ihn, weit entfernt, drunten am Strand im Dunkeln. Er spielte allein, spielte eine Art Lebewohl für seine Leute und seine Verwandten, und das Leben, das in seinem Blut und seinem Wesen lag. Ich bin vom fahrenden Volk, hatte er gesagt. Ich bin immer unterwegs. Die Klage erklang über den leeren Strand und die dunklen Wellen und drang bis tief in meinen Geist. Früher einmal wäre es einfach gewesen. Ich wäre einfach aufgestanden und hinunter zum Strand gegangen und hätte mich zu Darragh gesetzt. Wir hätten nicht reden müssen, denn meine Anwesenheit hätte genügt, um ihm zu sagen, dass es mir Leid tat, dass ich ihn gekränkt hatte. Er hätte verstanden, dass er immer noch mein Freund war. Aber nun war es anders. Ich hatte alles verändert, und nun verließ mein Freund mich für immer. Es war besser so; besser für mich, viel besser für ihn. Aber warum tat es dann so weh? Ich griff nach dem Amulett meiner Großmutter, spürte seine Wärme, spürte, wie es mir versicherte, dass der Weg, den ich gewählt hatte, der richtige, der einzige war. Ich zog die Decke um mich herum, rollte mich fest zusammen und drückte die Hände auf die Ohren. Aber die Stimme des Dudelsacks weinte in meinem Herzen und wollte nicht schweigen.
    ***
    Einige Zeit später erreichten wir Sevenwaters. Es war nach Meán Fómhair, und es hing Nebel in der Luft. Wir waren viele Tage unterwegs gewesen, zu lange, um es noch zu zählen. Unsere Gruppe hatte sich aufgeteilt, und ein Wagen war in einem Lager nicht weit von der Kreuzung zurückgeblieben, zusammen mit den meisten Leuten. Ohne

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