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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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um ihr von hinten die Augen zuzuhalten, sie anzulachen und zum Tanz zu bitten. Er hatte ein sehr entschlossenes Kinn und breite Schultern. Kurz danach forderte ein anderer Junge mich zum Tanz auf, und ich sagte Ja und brachte die Art Lächeln zu Stande, die meine Großmutter mich gelehrt hatte.
    Es fühlte sich seltsam an, so anmutig zu sein. Die Musik schien mich mitzureißen, und ich schwebte von einem Partner zum anderen und lächelte, ohne mich auch nur dabei anstrengen zu müssen. Es war heiß, und ich nahm mein Kopftuch ab. Das blaue Band hatte ich längst verloren, und mein Haar löste sich aus dem Zopf. Ich spürte, wie das lange rotgoldene Haar über meine Schultern fiel, und der gestreifte Rock wirbelte um mich herum, und ich sah die seidenen Fransen meines wunderschönen Schultertuchs in der Nachmittagssonne glitzern. Ich spürte, wie der Rhythmus des Bodhran tief in mir widerhallte und mich weitertrieb. Ich spürte die Blicke der Menschen auf mir, wie sie mich bewunderten, und das störte mich kein bisschen. Ich tanzte mit dem sommersprossigen Jungen aus unserem eigenen Lager, dem, dessen Pony Silber hieß, und er grinste häufig und sagte nichts. Auf der anderen Seite des Kreises tanzte Roisin immer noch mit demselben jungen Mann; sie hatten nur Augen füreinander. Ich tanzte mit einem älteren Mann, einem Bauern mit einer schönen Jacke mit Silberknöpfen und glitzernden Augen. Er fragte mich nach meinem Namen, und ich sagte ihn ihm. Er fragte, ob er mich morgen wieder sehen würde, und ich sagte vielleicht. Er zog mich dichter an sich, als mir gefiel, und ich musste schnell etwas unternehmen. Der Mann wurde plötzlich blass und entschuldigte sich rasch. Ich hatte ihm keinen großen Schaden zugefügt. Er würde nur seinen Mageninhalt von sich geben und sich morgen wieder besser fühlen.
    Die Sonne war den Wipfeln der großen Eichen nahe gekommen, und Wolken sammelten sich. Ich war noch nicht bereit zu gehen. Hier stand ich im Mittelpunkt. Ich war ich selbst und doch gleichzeitig nicht ich selbst. Alles drehte sich um mich, die Männer mit ihren hungrigen Augen, der Klang der Musik, das Schimmern und Wehen des Schultertuchs und des fliegenden Haars, ein Kreis von Bewegung und Lachen und Licht.
    Ein hoch gewachsener Bursche bat mich, mit ihm zu tanzen, dazu gedrängt von seinen Freunden. In der Ferne konnte ich sehen, wie sich Roisin von ihrem jungen Mann verabschiedete. Und hinter ihnen, auf der anderen Seite des Kreises, stand Darragh und beobachtete mich. Seine Miene war nicht zornig, jedenfalls nicht so richtig. Es ging darüber hinaus. Es war der Blick eines Mannes, dessen schlimmste Befürchtungen sich vor seinen Augen bewahrheiten. Er ruckte mit dem Kopf, als wollte er sagen: Komm schon, es ist Zeit zu gehen. Dann ging er weiter und verlor sich in der Menge. Er würde nicht einmal auf mich warten.
    »Entschuldige mich«, flüsterte ich meinem Tanzpartner zu und schlüpfte so schnell davon, wie ich konnte, und streifte dabei den Zauber nach und nach ab, während ich zu der Stelle hinkte, wo Darragh mich zuvor abgesetzt hatte, dicht bei den großen Eichen.
    Aoife stand unter den Bäumen im Schatten. Darragh war bei ihr, grimmig und schweigend. Er verschränkte die Finger, um mir auf den Rücken des Ponys zu helfen, und sprang hinter mich, und dann ritten wir schnell davon. Er sagte kein Wort, bis wir ein ganzes Stück vom Markt entfernt waren, vorbei an den kleinen Fischerbooten, die an den Strand gezogen waren. Die Wolken über uns wurden dunkel. Es war niemand in Sicht.
    »Man kann dich wirklich keinen Augenblick allein lassen«, stellte er fest.
    »Ich weiß nicht, worüber du sprichst.«
    »Ich dachte, du hättest versprochen, keinen Ärger zu machen. Und dann so etwas.«
    »Wie meinst du das, und dann so etwas?«, fauchte ich. Ich konnte es nicht ausstehen, wenn er böse auf mich war. »Ich bin zum Markt gegangen, ich habe Körbe verkauft, ich bin mit deiner Schwester beim Tanz gewesen, und jetzt gehe ich nach Hause. Genau wie alle anderen. War das nicht genau, was du wolltest?«
    Er schwieg.
    »Oder nicht?« Selbst für mich hörte meine Stimme sich schrill an. Irgendwie hatten seine Worte bewirkt, dass ich mich recht unbehaglich fühlte.
    »Was ich will, scheint nicht wichtig zu sein«, sagte Darragh leise.
    »Das ist doch Unsinn«, erwiderte ich. Ich verstand nicht, was er meinte. Wir ritten schweigend weiter, als die ersten Regentropfen fielen. Aoife zuckte mit den Ohren.
    »Sicher ist es

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