Das Kind der Stürme
erstaunt die Brauen hochgezogen. »Er ist sehr nett.«
»So nett«, fügte Clodagh grinsend hinzu, »dass es verblüffend ist, dass er noch nicht verheiratet ist. Er wird sicher bald mit einer schönen, hochgeborenen Frau hier auftauchen.«
»Du weißt nicht, was du da sagst«, knurrte Deirdre.
»Tu ich doch!«, entgegnete Clodagh.
»Tust du nicht!«
»Stimmt es, was sie sagen«, warf ich ein, »dass dieser Johnny das Kind der Prophezeiung ist? Wisst ihr davon?«
»Das weiß doch jeder«, schnaubte Maeve, die gerade dabei war, Rionas gelbes Haar zu einer kunstvollen Krone zu flechten.
»Nun, ist es wahr?«
Die Zwillinge wandten sich mir zu.
»O ja«, sagten sie im Chor. Und Deirdre seufzte. Ich wollte nicht noch mehr Fragen stellen, damit ich nicht zu neugierig wirkte. Ich schwieg also, und nach einer Weile langweilten sie sich mit mir und machten sich davon, um anderen auf die Nerven zu gehen.
Es gab also Onkel Sean und seine Mädchen und Tante Liadan und ihre Jungen. Ein sehr geliebter Großvater war vor kurzem gestorben und unter den Eichen zur letzten Ruhe gebettet worden. Und dann war da Conor. Die Druiden lebten tief im Wald, an einem geheimen Ort, wie es die Art der Weisen ist. Aber Conor gehörte auch zum Rat, und daher blieb er in Sevenwaters, während die Diskussionen hinter geschlossenen Türen fortgeführt wurden. Tatsächlich war er das älteste Familienmitglied und wurde mit entsprechender Ehrfurcht behandelt. Und es gab auch noch einen anderen Onkel – Tante Aislings Bruder. Ihn lernte ich am ersten Tag zufällig kennen, als ich zusammen mit Muirrin die Treppe hinunterging und er gerade nach oben gehen wollte. Ich hätte nicht weiter über diesen vornehm gekleideten Mann in mittleren Jahren mit den braunen Haaren und angenehmen Zügen nachgedacht, aber er erstarrte plötzlich, als sein Blick auf mich fiel, und wurde kreidebleich.
»Onkel Eamonn«, sagte Muirrin, als hätte sie nichts davon bemerkt, »das hier ist meine Cousine Fainne. Niamhs Tochter. Sie kommt aus Kerry.« Eine gut eingeübte Bemerkung, die gerade genug erklärte und keine unangenehmen Fragen zuließ.
Der Mann öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Diverse Gefühle lagen in seiner Miene im Widerstreit: Entsetzen, Zorn, Empörung, und schließlich mit sichtlicher Anstrengung Höflichkeit.
»Schön, dich kennen zu lernen, Fainne. Ich bin sicher, Muirrin ist dir eine gute Hilfe dabei, dich hier einzugewöhnen. Dieser Besuch ist recht unerwartet.«
»Vater ist heute Früh losgeritten, als die Nachricht kam«, sagte Muirrin ruhig. »Fainne wird eine Weile hier bleiben.«
»Ich verstehe.« Hinter den nicht sonderlich beherrschten Zügen arbeitete sein Geist offenbar sehr schnell, als versuchte er, die Teile eines Puzzlespiels rasch und entschlossen zusammenzusetzen. Das alles gefiel mir überhaupt nicht.
»Wir sollten jetzt lieber gehen. Wir sehen uns beim Mittagessen, Onkel Eamonn.«
»Das nehme ich an, Muirrin.«
Das war alles, aber danach gab es ein paar Situationen, in denen ich diesen Mann dabei ertappte, wie er mich bei Tisch beobachtete, wenn die anderen damit beschäftigt waren, sich zu unterhalten, oder in der Halle, wo sich alle am Abend versammelten, oder im Garten. Er war einflussreich, das erkannte ich an der Art, wie sich die anderen Männer von der Allianz ihm gegenüber verhielten. Muirrin erzählte mir, er sei der Herr großer Ländereien, genauer gesagt zweier Landsitze, die im Osten und Norden an Sevenwaters grenzten. Vor einiger Zeit war ihm Glencarnagh zugefallen, zusätzlich zu Sidhe Dubh, und das bedeutete, dass er über mehr Männer und Land verfügte als Sean. Dennoch, er gehörte zur Familie und stellte daher keine Bedrohung dar. Aber er beobachtete mich, bis ich zornig wurde und die Blicke erwiderte. Ich wusste genau, was meine Großmutter von diesem Mann denken würde. Sie hätte gesagt: Macht ist alles, Fainne.
***
Die Zeit verging, und Dan Walker und seine Leute verabschiedeten sich schließlich. Ich hatte sie kaum zu sehen bekommen, denn ich war gegen meinen Willen in die alltägliche Routine der Familie verstrickt worden, und wenn man mich nicht brauchte, flüchtete ich in mein Zimmer oder in den Garten, um die kostbare Zeit allein zu verbringen. Ich verstand nun, wieso die Druiden sich entschieden, so isoliert zu leben, und nur zu den großen Festen aus dem Wald kamen, oder um einen Erntesegen zu vollziehen. Um die Lehren und Überlieferungen im Kopf zu behalten, um sich mit seiner
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