Das Kind der Stürme
und versuchte den Eindruck zu erwecken, als störte mich das alles nicht. Angestrengt dachte ich über einen passenden Zauber nach, aber mir fiel nichts ein. Es war mein Vater, der gut mit dem Wetter umgehen konnte.
»Du hast doch keine Angst, oder?«, fragte Conor und rutschte auf dem Sims ein wenig zurück. Das Wasser spritzte uns schon bis an die Zehen. »Hat er dich nicht in Kerry aufgezogen, an einer Stelle, an der die Wellen so hoch sind wie Eichen? Ich glaube, die kleine Maeve hat mir das erzählt.«
»Nun, ich bin vielleicht daran gewöhnt, aufs Wasser zu schauen und das Wasser zu riechen und es zu hören, aber das bedeutet nicht, dass ich im Wasser sein will«, erklärte ich angespannt.
»Nein. Ich würde annehmen, dein Element ist das Feuer«, erklärte der Druide ruhig.
»Ich bekomme nasse Füße. Sollen wir versuchen zu fliehen?« Er stand auf und warf einen Blick zu dem kleinen, runden Loch in der Höhlendecke über uns. Es wäre möglich, dachte ich, sich nach draußen zu zwängen, so gerade eben, wenn man schnell hochklettern konnte. Das Wasser kam jetzt schon bis an meine Knöchel und stieg rasch.
»Was meinst du?«, fragte Conor, und in diesem Augenblick brach eine Kaskade durch die Öffnung über seinem Kopf, ein plötzlicher, heftiger Wasserfall, der gnadenlos weiterrauschte und es unmöglich machte, zu hören oder zu sehen. Der Wasserspiegel hob sich mit alarmierender Geschwindigkeit bis an meine Taille. Ich spürte, wie mein Kleid mich nach unten zog. Mein Herz klopfte heftig, und selbst wenn ich mich in einen Fisch oder Frosch hätte verwandeln wollen, um mich zu retten, hätte mich der nackte Schrecken davon abgehalten.
»Komm! Ich werde dir helfen! Hol tief Luft, und dann nach oben!«
»Was?« Dort hinauf, durch diesen rauschenden Fluss, mit Wasser in Nase und Augen und Ohren und ohne zu wissen, was sich auf der anderen Seite befand? Schon der Gedanke daran lähmte mich.
»Schnell jetzt!«, rief Conor und packte mich am Arm, als mein Fuß auf dem Sims ausglitt und ich beinahe unter der Wasseroberfläche verschwunden wäre. »Schnell, solange wir noch sehen können, wo es ist.«
»Ich – ich –«
»Bist du Ciaráns Tochter oder nicht?«, fragte er, schlang die Arme um meine Taille und hob mich herauf zum Lichtkreis, durch den das Wasser ungehindert eindrang. Ich holte tief Luft, dachte noch rechtzeitig daran, meine Lungen langsam von oben nach unten zu füllen, dann streckte ich die Arme aus und zog mich hoch, so gut es gegen das Gewicht des herabstürzenden Wassers möglich war. Ich klammerte mich an die rutschigen Felsen, tastete nach einer Wurzel oder einem Ast oder irgendetwas anderem, woran ich mich festhalten konnte, und hielt die Luft an, bis meine Brust zu bersten schien. Ich verfluchte mein langes Gewand, trat wild um mich und fand schließlich ein kleines Sims am Felsen, drückte mich nach oben … und bekam endlich wieder Luft. Ich hielt mich an den Wurzeln einer Weide fest, keuchend und würgend, und stieg über Felsen, über die das Wasser weiter durch die schmale Öffnung in die Höhle hinabfloss.
»Conor!«, rief ich, beugte mich vor und spähte wieder hinab in die Dunkelheit unter dem rauschenden Wasser. »Conor!« Ich hörte keine Antwort. Ich sah mich hektisch um und dachte, dass ein Seil vielleicht helfen könnte, oder eine Leiter oder sogar eine kleine Laterne, wenn ich sie nur entzünden könnte. Licht. Feuer. Dann würde er den Weg nach draußen sehen. Ich schnippte mit den Fingern und murmelte die Worte. Es knallte und zischte, und eine kleine Dampfwolke entstand. »Ach, komm schon«, sagte ich und wiederholte die Gesten. Eine Feuerkugel erschien und hing in der Luft über dem dunklen Loch in den Steinen. Beeil dich, Fainne, dachte ich grimmig, der Mann ist alt genug, um dein Großvater zu sein, und er hat dich gerettet. Ich sah mich wieder um und entdeckte einen festen Eschenast, der vorbeigetrieben wurde. Ich umklammerte die Baumwurzeln mit einer Hand und streckte den Ast ins Loch hinein. Die Höhle war inzwischen doch sicher beinahe voll. Wie lange konnte ein alter Mann den Atem anhalten? Ich bewegte den Ast herum, hielt ihn fest gegen den Sog des Wassers. Solchen Regen hatte ich noch nie erlebt. Dieser verfluchte Wald. Worte zuckten mir durch den Kopf. Wir dachten, du interessierst dich nicht für die Opfer, die du am Weg zurücklässt. Fluch über das Feenvolk und seine Eulenfreunde! Was wussten die schon? Ich tastete wieder suchend mit dem Ast herum.
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