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Das Kind der Talibanfrau

Das Kind der Talibanfrau

Titel: Das Kind der Talibanfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yair Nehorai
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Buße getan, jetzt kann nichts mehr passieren.
    Ich muss etwas trinken, viel, mein Gesicht ist rot, muss auch das Fenster öffnen.
    Der Gestank, sie werden es wissen, alle.
    Eine Wolke aus Rauch.

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    Warum will er mit mir sprechen? Worüber?
    Seit einer Stunde warte ich jetzt vor seinem Zimmer, und es tut weh. Die Bank ist alt, das Holz auch.
    Er weiß alles, ganz bestimmt. Er hat Verstärkung aus dem Himmel, er untersucht und kontrolliert.
    Die Spaziergänge
    die nichtreligiöse Schule
    das Mädchen aus der Zeitung
    Faigy.
    Wünschte, die Erde würde sich auftun, mich verschlucken.
    Ich bin böse, sündige und schaffe Sündiger. Ich stinke nach Sünden, Zerstörer des Tempels, ich besudele den Himmel in der Öffentlichkeit. Eine Abscheulichkeit, ein Penner, faul, eine Schande für die Familie und die Schule. Nur schlechte Gedanken, Sünden. Die Tefillin schämen sich für mich, ebenso wie alle großen Bücher. Ich bin eine ansteckende Krankheit, darf nicht näher kommen, kein rituelles Bad kann mich reinigen und läutern. Ich muss ausgestoßen, fürs Leben gezeichnet, getötet, ausgelöscht, vernichtet, zerstört werden.
    Der Aufseher weiß alles.
    Eine giftige Schlange mit kleinen gelben Augen. Der Mund, die Hände und die Augenbrauen bewegen sich. Sssss, jeden Moment wird er mich beißen.
    Du musst dich locker machen, nicht so streng mit dir selbst sein, sogar die großen Zaddikim machen Fehler.
    Mit wem redet er?
    Deine Mama ist streng, aber vielleicht muss das nicht jeder sein, und wenn du zu viel willst, wirst du am Ende nichts erreichen.
    Er darf nicht über Mama reden.
    Sie ist heilig.
    Eine Wundermacherin.
    G-tt selbst hört auf sie.
    Du bist ein guter Junge, lach einfach ein bisschen mehr, sei fröhlich, du hast noch dein ganzes Leben vor dir, der Herr ist barmherzig.
    Sei still
    verschließt ihm den Mund
    Ketzer
    böse
    zieht alle in den Dreck
    schändet den Himmel
    Mama ist eine Zaddika.

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    Mama ist eine Königin.
    Kocht nicht, wäscht nicht, putzt nicht und bereitet keine Mahlzeiten vor.
    Dafür sind die Schwestern da.
    Läuft nicht, fährt nicht, schreibt nicht, kann nicht, ihre Kopfbedeckung verdeckt ihre Augen, sie ist blind.
    Dafür sind die orthodoxen Frauen da
    sie fahren sie, beliefern sie, schreiben es für sie nieder.
    Sie spricht auch nicht. Anstand, böse Zungen, Thora-Verletzung,
    dafür sind Bluma und Leah da.
    Sie sind den ganzen Tag in ihrer Nähe, erraten, was sie möchte, sprechen für sie.
    Sie sitzt nur auf dem Stuhl ohne Lehne im Wohnzimmer, sagt Psalmen auf und wacht.
    Mama ist eine Königin.

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    Das Shampoo ist stärker als das Pipi und das Aa.
    Faigys Kopf
    wie Blumen in allen Farben, lila, rosa, rot, gelb und Blüten vermischt mit grünen Blättern in allen Formen.
    Im Schutzraum ist Licht
    obwohl es dunkel ist.
    Sogar die Mäuse sind glücklich, rennen schnell, piepsen.
    Faigy ist eine Heldin, hat keine Angst vor ihnen noch vor irgendjemandem, will nur schlagen, die ganze Zeit.
    Mama ist im Krankenhaus und betet für Edna
    die Nachbarn sind schlafen gegangen
    der Schutzraum gehört uns allein
    Faigy und mir.

Fünfzehn Jahre

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    Es ist erst eine Woche her, seit wir mit dem Unterricht angefangen haben
    er kennt mich nicht einmal
    wieso sollte ich in der Pause bleiben?
    Der jüngste Rabbi der Schule, ganz aufgeregt, rennt herum, fragt, beobachtet, prüft, hinterfragt, und jede Woche will er einen Test schreiben.
    Ich schaue ihn an und möchte schlafen.
    Ich kenne das, jedes Jahr wollen sie mit mir reden, ich kenne das bereits in und auswendig.
    Sie versprechen Geschenke, drohen mit Strafe, am Ende lassen sie mich in Ruhe.
    Ich muss ihnen nur ins Gesicht schauen, ihnen sagen, dass sie Recht haben und dass ich mir von nun an Mühe geben werde mit der Thora und den guten Taten. Das ist alles.
    Aber Rabbi Katzman ist jung, er ist noch nicht einmal Vater und kennt alle Tricks.
    Jetzt red’ schon, die Zehn-Uhr-Pause ist gleich vorbei.
    Warum ich traurig bin, warum ich nicht spiele, warum ich tagträume, warum ich die ganze Zeit allein bin. Warum warum warum und noch mal warum.
    Wie geht es Mama, was macht Papa, die Brüder, die Schwestern.
    Halt endlich den Mund, ich beantworte Deine Fragen nicht, Aufrührer, Umstürzler. Bestimmt hat der Aufseher mit ihm über Mama geredet, schlechte Dinge über sie gesagt. Lass mich in Ruhe, geht ihn nichts an, muss ihm nicht antworten, sogar Mama hat gesagt, dass alle Rabbis Thora-Schänder sind.
    Er lässt sich einen langen Bart wachsen

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