Das Kind der Talibanfrau
wer zerschmettert
Faigy umarmt mich
Doch Umkehr, Gebet und Wohltun wenden das böse Verhängnis ab.
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Ich verdurste
seit gestern steht die Uhr still
die Minuten kriechen
die Sekunden gehen in die falsche Richtung
das machen sie mit Absicht, seit sie gehört haben, dass das Fasten angefangen hat.
Endlose Gebete
noch ein Achtzehnbittengebet
noch ein Klageleid
noch eine Entschuldigung
eine Seite umblättern
eine Million mehr.
Meine Brust schmerzt noch immer von den Schlägen meiner Fäuste für die Sünden, die wir begangen haben
Wer hat sich so viele Sünden ausgedacht?
Der Hals ist trocken, ich habe den ganzen Tag eine Million Mal Amen gerufen. Ich muss etwas trinken, ich muss.
Noch zwei Stunden, jetzt, das letzte Gebet. Die Sonne wird niemals untergehen.
Die Straßen sind leer, alles ist ruhig, nichts bewegt sich. Sogar die Katzen verstecken sich. Der Geist G-ttes ist still auf Erden.
Nur die Gebetsmelodie ist von den Fenstern aus zu hören.
Mit zehn habe ich zum ersten Mal gefastet und Mama hat mich umarmt.
Der Wasserhahn tropft
Der Körper wiegt vor und zurück, ich sehe nichts, schwarz vor Augen, muss mich am Straßenpfeiler festhalten, um nicht zu umzufallen.
Ich habe Jom Kippur entweiht.
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Weiße Tischdecken, glänzen, spiegeln das Licht der Decke
Sabbatbrötchen mit Sesam, süß
alle möglichen Salate.
Eliazer schließt die Augen, Salomon tritt gegen den Tisch, Malkiel singt falsch, Hajim schreit in mein Ohr und Mosche flüstert.
Bald ist das Sabbatgebet
die Gläser sind mit Wein gefüllt, die ganze Schule singt, sechshundert Jungs.
Friede mit Euch, dienende Engel …
Die Wände beben, der Boden bewegt sich, die Fenster zerspringen
Als ich klein war, habe ich die Sabbatlieder gesungen bis mir der Hals wehtat,
»Gesang der drei Männer im Feuerofen«, nach der Suppe und dem Hühnchen beim Admor.
Und zur Dritten Mahlzeit, als bei »Rahel weinte um ihre Kinder« alle sangen und weinten, erinnerte ich mich erst nach dem Öffnen der Augen daran, dass noch andere Menschen im Raum waren. Und obwohl das Lied traurig war, war es fröhlich.
Aber das ist so lange her, ich war noch ein Baby. Heute ist es verboten zu singen, sogar im Stillen. Sie werden sich über mich lustig machen, er hat keine Ahnung von Raschi, aber weiß, wie man singt. Erst lernen, Segen sprechen, beten.
Heute ist meine Stimme unrein.
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Das Licht stört, zu hell, ich will schlafen.
Unter der Decke ist es heiß, man schwitzt, muss den Kopf hervorholen.
Allein ist es am besten, das ganze Internat ist leer, alle sind beim Gottesdienst, heißen den Sabbat willkommen.
Sogar die Grashüpfer beten.
Es hilft nicht, den Kopf unter das Kissen zu stecken oder auf dem Bauch zu liegen, das Licht stört.
Muss die Decke um die Lampe wickeln.
Lustig, die Decke ist schwanger.
Die Decke fällt herunter, zu dick, zu schwer.
Jetzt reicht’s
ich habe es ausgemacht
mit dem Schalter
Dunkelheit.
Sie werden mich erwischen
es mitbekommen
nur in meinem Zimmer ist kein Licht.
Sie werden es wissen.
Ich muss im ganzen Internat
den Strom ausschalten.
Das finden sie raus, finden sie raus
muss ihn wieder anschalten
mein Licht auch.
Es ist eine Schande, dass sie mich zur Welt gebracht hat, ich bringe ihr nur Schande, Verfehlungen, Sünden, Verbrechen. Ich bringe nur Unglück. G-tt wird mir vergeben, er ist nicht wie Mama, er ist barmherzig, geduldig und voller Gnade. Mit Licht kann ich nicht schlafen und auch nicht mit den Gedanken in meinem Kopf.
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Eine Wolke aus Rauch versteckt mich und alles verschwindet.
Kein Körper, keine Stimme, weshalb also sprechen? Wieso soll ich mich melden?
Mama? Papa? Schwestern? Brüder? Sie rufen meinen Namen, aber ich weiß es nicht genau.
Fleisch, Hühnchen, Salat, Fisch, alles bleibt im Hals stecken, sogar die Schokolade schmeckt wie Staub.
Thora, Talmud, Mischna, Kommentatoren, dieselben Bücher, dieselben Buchstaben, kleine Ameisen, die beißen und stechen.
Heiliger Sabbat? Jahresende? Wochentag? Morgens? Abends? Nur ein Tag, der niemals anfängt und niemals endet.
Ich bin wach, wenn ich schlafe und schlafe, wenn ich wach bin.
Die Sonne ist nicht orange, der Mond ist nicht gelb, die Sonnenstrahlen sind nicht warm und der Wind ist nicht kühl, es gibt kein Licht, keine Dunkelheit, nur Schatten, die sich bewegen und kommen und gehen, und sogar die Rabbis und Schüler sind verschwunden,.
Früher hatten sie Gesichter und Namen, jetzt verschmelzen sie zu einer Person,
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