Das Kind der Talibanfrau
werde sie absichtlich verfluchen, Idioten, blöde Bastarde, ich werde nicht aufhören. Sollen sie mich doch schlagen.
Mama schlägt fester
ich werde nicht am Rand stehen, auch ich habe es verdient zu spielen.
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Die Glocke klingelt wieder.
Eine halbe Stunde wie eine Minute, wie immer in der Pause, die Uhr ist schnell, verwandelt sich in einen Zaddik, will die Thora studieren.
Wieder zum Unterricht, zweieinhalb Stunden, bis ein Uhr, das Ende der Welt.
Alle sind zu zweit, wohin man auch schaut, wie auf der Arche Noah, vorne, hinten, an den Seiten. Eine Million Schüler, immer zu zweit, zweit, zweit auf den langen, endlosen Holzbänken.
Die ganze Welt besteht aus Paaren-Paaren.
Schreien, rufen, stehen, sitzen, aufstehen, Arme hoch, Gebetsbuch aufschlagen, schlagen, streiten, kämpfen, umarmen, glücklich, traurig, vor, zurück, lachen
Und zwischen all dem Geschrei und dem Lärm
die Musik des Talmuds.
Die riesigen Fenster klirren
der Boden bewegt sich
die braune Marmorwand reißt ein
die Decke bricht zusammen
die großen Lampen fallen zu Boden.
Sie singen
und die ganze Welt singt
Paare-Paare.
Ich brauche, will nicht mit ihnen lernen, mit niemandem, vor allem nicht mit Mosche.
Warum muss ausgerechnet er mein Partner sein? Er schreit nur deshalb am lautesten, damit Rabbi Hirsch ihn ansieht, er wiegt sich vor und zurück, redet mit sich selbst, was nur er selbst verstehen kann.
Immer ist er vor mir. Jedes Wiegen seines Körpers nervt. Eine Nervensäge, wie Mama, sagt immer immer immer wieder dasselbe, ohne aufzuhören, ich werde ihn erwürgen.
Allein ist es am besten.
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Ich bin allein, ohne Partner, Rabbi Hirsch hat es erlaubt.
Die Buchstaben krabbeln, schwarz schwarz schwarz, bis in die Augen, Ohren, Nasenlöcher.
Der Aufseher wacht, in seinen Augen ist Mama, Schluss jetzt.
Ich werde die Bänke umkippen, die Tische, ich werde ihre Kleidung zerreißen, sie würgen, sie alle, Rabbis und Schüler, einen nach dem anderen, einfach so mit meinen Händen. Ich werde meine Finger um ihre Hälse legen bis sie lila werden. Töten, sie alle.
Da kommen die Goja
und Faigy
sie haben sich im Weiß der Seite versteckt, zwischen den schwarzen Buchstaben, hatten Angst herauszukommen, jetzt aber nicht mehr.
In drei Wochen habe ich ein freies Wochenende. Faigy wird mich mit ihren kleinen Händen schlagen, und ich kaufe ihr Orangenschokolade, die tropft.
Und im Schutzraum wartet die Goja.
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Eine Delegation böser Engel.
David liegt in dem Bett hinter mir in der Nähe der Tür, Mosche auf der anderen Seite und Menasche liegt vor mir, sie beobachten mich, sogar nachts, wenn ich schlafe.
Mamas Botschafter.
Vier Betten, und ausgerechnet meins steht am weitesten von der Tür entfernt.
Ich werde aufstehen, sie wecken.
Wünschte Davids Zähne würden abbrechen, knirschen die ganze Nacht, am Ende werden sie zu Staub zerfallen, und er wird nicht mehr essen können. Die ganze Wohnung schläft, alle drei Zimmer, zwölf Schüler, und niemanden stört das, warum nur mich?
Josef ist tot, bewegt sich nicht, still. Menasche auch, schnarcht heute Nacht nicht einmal, nur ein wenig. Zu Hause gab es ein Fenster mit grau-blauem Himmel, Wolken, die langsam vorüberzogen, einen orangefarbenen und roten Mond, eine Banane, eine halbe Orange und eine Wassermelone, und Vögel, die wie Pfeile ihrem Rabbi folgten.
Hier im Internat gibt es nur eine weiße Decke mit Putz, der vor langer Zeit abgeblättert ist, und weiße Wände mit kleinen Bildern von Rabbis, in schwarz und weiß.
Schlaf jetzt.
Schlaf.
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Keine Zeit, darf nicht zu spät kommen, es ist schon sechs Uhr dreißig, um sieben beginnt die Andacht.
Menasche ist im Bad, David auf dem Klo, Mosche steht an der Tür, jetzt macht schon.
Hinter mir noch mehr Schüler, drängeln, sind auch in Eile, G-tt kann nicht warten.
Habe mir noch nicht einmal das Gesicht gewaschen, da rufen sie, jetzt mach schon, warum dauert das so lange. Kaum sitze ich auf dem Klo, bricht die Tür auf, vom Treten, vom Hämmern.
Muss mich anziehen. Wo ist die Hose? Das Hemd? Die Zizijot?
Das Zimmer ist zu klein.
Menasche läuft herum, David tritt, Josef schubst, pünktlich sein, den Herrn preisen.
Schwerter durchbohren den Kopf, sägen im Gehirn herum, hört auf, lasst mich, hört auf.
In die Schule rennen, zusammen, niemals getrennt.
Darf nicht zu spät kommen.
Morgengebets-Zeit.
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Sie singen die Gebete
in allen Klassen
auf allen Etagen
die Musik sickert durch die Ritzen in
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