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Das Kind des Schattens

Titel: Das Kind des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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Stöhnen.
    Langsam hob Lancelot seinen Kopf. Seine Augen, die vor Schmerz umwölkt waren, trafen sich mit Flidais’ Blick, und dann hob ein überaus dünner Anflug von Lächeln seine Mundwinkel, es war kaum zu glauben.
    »Taliesin«, flüsterte er, »ich dachte doch, dass ich dich gesehen hatte. Es tut mir leid …« Er keuchte und blickte auf das versengte Fleisch seiner Handfläche hinab. Dann fuhr er wieder fort: »Es tut mir leid, dass ich dich nicht schon vorher begrüßen konnte, wie es sich gehört.«
    Flidais schüttelte stumm den Kopf. Er öffnete den Mund, aber er war keines Wortes fähig. Er räusperte sich und versuchte es noch einmal, diesmal ganz förmlich: »Jahrhundertelang ist von dir erzählt worden, dass du in deinem ganzen Leben von keinem einzigen irdischen Ritter besiegt wurdest. Das Wesen, gegen das du heute Nacht gekämpft hast, war nicht sterblich und konnte eigentlich nicht besiegt werden. Ich habe niemals etwas Vergleichbares gesehen und werde es auch in Zukunft nicht. Was kann ich Euch anbieten, mein Herr Lancelot?«
    Lancelots Augen schienen klarer zu werden. »Dein Schweigen, Taliesin. Ich brauche dein Schweigen über die Geschehnisse, die hier abgelaufen sind, damit nicht alle Welten von meiner Schande erfahren.«
    »Schande?« Flidais spürte, wie seine Stimme versagte.
    Lancelot hob seinen Kopf, um auf die Sterne hoch dort oben zu blicken. »Es war ein Zweikampf«, erklärte er ruhig, »und ich habe den Jungen um Hilfe gebeten. Das wird ein Flecken auf meinem Namen sein, solange die Zeit läuft.«
    »Im Namen des Webstuhls!« schnappte Flidais. »Was ist das für eine Idiotie? Und was ist mit den Bäumen und den Kräften des Waldes, die Curdardh zur Seite standen und dich einschlossen? Was ist mit dem Kampfplatz, wo die Macht des Dämons größer war als irgendwo sonst? Was ist mit der Finsternis, in der er sehen konnte, du aber nicht? Und was …«
    »Trotzdem«, murmelte Lancelot und brachte die scharfe Stimme des kleinen Andein zum Schweigen. »Trotzdem habe ich im Zweikampf um Hilfe gebeten.«
    »Ist das so schlimm?« fragte eine andere Stimme. Flidais wandte sich um. Vom Rande der Lichtung war Danen herbeigekommen. Sein Gesichtsausdruck war jetzt gefasst, aber Flidais konnte noch immer den Schatten seiner verzerrten Angst sehen, die seinen Schrei begleitet hatte.
    »Wir wären beide gestorben«, fuhr Darien fort, »warum ist das so schrecklich, dass du mich um dieses kleine Ding gebeten hast?«
    Lancelot drehte sich ruckartig ihm zu. Einen Augenblick schwieg er und sagte dann: »Mit einer einzigen Ausnahme, einer Liebe, die ich in aller Ewigkeit immer wiedergutmachen werde, habe ich in allem, was ich getan habe, dem Licht gedient. Und in diesem Dienst ist ein Sieg, der mit einem Werkzeug der Finsternis errungen wurde, kein Sieg.«
    Darien trat einen Schritt zurück. »Meinst du mich?« fragte er. »Ein Werkzeug der …«
    »Nein«, murmelte Lancelot ruhig. Flidais fühlte, wie seine kalte Angst wieder zurückkehrte, als er auf den Jungen blickte. »Nein. Ich meine das, was ich getan habe.«
    »Du hast mein Leben gerettet«, stellte Darien fest. Es klang wie ein Vorwurf. Er blieb stehen, wo er war.
    »Und du das meinige.«
    »Warum?« schrie Darien plötzlich. »Warum hast du es getan?«
    Lancelot schloss kurz seine Augen und öffnete sie dann wieder. »Weil deine Mutter mich darum gebeten hat«, antwortete er einfach. Bei diesen Worten hörte Flidais wieder ein Rauschen in den Blättern. Er fühlte ein Ziehen in seinem Herzen.
    Darien stand, als sei er auf dem Sprung, um zu flüchten, aber er hatte sich noch nicht bewegt. »Sie wusste, dass ich zu meinem Vater gehen würde«, behauptete er weniger laut. »Hat sie es dir gesagt? Weißt du, dass du mich nur gerettet hast, damit ich das jetzt tue?«
    Lancelot schüttelte den Kopf. Er hob seine Stimme, obwohl es ihn sichtlich anstrengte. »Ich habe dich gerettet, damit du deinem Weg folgen kannst.«
    Darien lachte. Dieser Ton schnitt sich wie mit Messern in Flidais’ Seele. »Und wenn dieser Weg nach Norden führt?« fragte der Junge kalt mit einer Stimme, die plötzlich älter klang. »Nach Norden? Zur Finsternis? Zu Rakoth Maugrim?«
    Lancelots Augen blieben ruhig, ebenso seine Stimme. »Dann führt sie dich auf Grund deiner eigenen Entscheidung dorthin, Darien. Nur auf diese Weise sind wir nicht Sklaven, wenn wir entscheiden können, wohin wir gehen wollen. Andernfalls wäre alles nur Blendwerk.«
    Wieder folgte ein Schweigen,

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