Das Kind des Schattens
Paul behaupteten Coll und Averren ihre Stellung, sie deckten seinen Körper ebenso wie die ihren. Als er sah, wie die Männer des Prinzen gerade vor ihm mit den Urgach kämpften, hatte er sich bereits entschlossen.
»Kämpft mit den anderen weiter«, schrie er den beiden zu. »Ich bin hier keine Hilfe! Ich reite zum Grat zurück … dort kann ich mehr tun.«
Beide tauschten mit ihm einen kurzen Blick, und sie wussten, dass es der letzte sein konnte. Er berührte kurz Cardes Schulter, fühlte Averrens Hand auf seinem Arm. Dann riss er sein Pferd herum und jagte zu der Erhebung zurück. Dabei verfluchte er bitter seine Nutzlosigkeit.
Zu seiner Linken erkannte er zwei weitere Gestalten, die sich ebenfalls aus dem Gedränge abgesondert hatten und nun zum Bergrücken ritten. Er lenkte sein Reittier in ihre Richtung und traf auf Teyrnon und Barak.
»Wohin geht ihr?« rief er.
»Nach droben«, schrie Teyrnon mit rauer Stimme zurück, der Schweiß strömte über sein Gesicht. »Das Kampfesgewühl ist zu dicht. Wenn ich einen Donnerkeil zu werfen versuche, so treffe ich genauso viele von unseren eigenen Leuten wie von den ihren. Und Barak ist hoffnungslos verwundbar, wenn er als Quelle für meine Magie fungiert.«
Barak weinte vor Enttäuschung. Sie erreichten den Abhang und galoppierten nach oben. Dort stand eine Reihe von Lios Alfar, die das ganze Schlachtfeld überblickten. Berittene Auberei warteten neben ihnen, bereit um hinabzurasen und dem Großkönig ihre Botschaften zu überbringen.
»Wie geht es?« keuchte Paul, an einen der ihm nächst stehenden Lios Alfar gewandt, während er abstieg und sich gleichzeitig umdrehte, um nach unten zu blicken.
Aber es war Loren Silbermantel, der ihm antwortete. »Sehr auf Messers Schneide«, stellte er fest, und seine faltigen Gesichtszüge waren tief ernst. »Wir werden hingehalten, und die Zeit ist auf ihrer Seite. Aileron hat den Befehl gegeben, dass die Zwerge sich nach Osten zu den Dalrei und den Lios Alfar schlagen. Er will versuchen, die westliche Flanke und die Hälfte des Zentrums alleine zu halten.«
»Kann er es?« fragte Teyrnon.
Loren schüttelte den Kopf. »Eine Zeitlang, aber nicht für immer. Und schau, die Schwäne melden Galadan alles, was wir tun.«
Paul konnte sehen, dass der Wolfsfürst sich drunten in einen freien Raum hinter der Armee der Finsternis zurückgezogen hatte.
Er war wieder in seiner menschlichen Gestalt, und jeden Augenblick ließ sich ein anderer von seinen hässlichen schwarzen Schwänen aus der Luft, wo sie sich ungestört bewegen konnten, zu ihm herab, um ihm Botschaften zu übergeben und Anweisungen weiterzuleiten.
An Pauls Seite begann Barak zu fluchen, herzhaft, leidenschaftlich und wortreich. Links unter ihnen blitzte ein Lichtschein auf, der Paul ins Auge stach. Es war Arthur, der den schimmernden König Speer und sein herrliches Raithen an der ganzen Linie der westlichen Flanke entlangführte und mit der strahlenden Flamme seiner Gegenwart Maugrims Legionen zurücktrieb und auf diese Weise den bedrängten Männern von Brennin eine Ruhepause verschaffte, wo immer er sich zeigte. Der Krieger in der letzten Schlacht bei Camlann. Es war die Schlacht, die er eigentlich nicht hätte erleben dürfen und auch nicht erlebt hätte, wäre nicht Diarmuid dazwischengetreten.
Hinter Paul glühten noch immer die verkohlten Hölzer des Scheiterhaufens, und die Asche trieb in der Morgensonne. Paul blickte nach oben: Der Morgen ist vorbei, stellte er fest. Hinter den kreisenden Schwänen hatte die Sonne den Zenit erreicht und begann wieder abzusteigen.
Er lief zu Fuß nach Süden zurück. Auf einem freien Platz taten einige Leute, unter ihnen Kim und Jaelle, ihr Bestes für die Verwundeten, welche die Auberei in erschreckender Anzahl zum Grat heraufbrachten.
Kims Gesicht war von Blut und Schweiß gezeichnet. Er kniete sich neben ihr hin. »Dort unten bin ich nutzlos«, meinte er schnell. »Was kann ich tun?«
»Du auch?« antwortete sie, und ihre grauen Augen waren von Schmerz überschattet. »Reich mir diese Tücher herüber zum Verbinden, hinter dir, ja.« Sie begann, das verwundete Bein eines Zwerges zu versorgen.
»Was willst du damit sagen?« fragte Paul.
Kim schnitt das Tuch mit einem Messer zurecht und befestigte es, so gut sie nur konnte. Sie stand auf und ging weiter, ohne zu antworten. Paul folgte ihr. Ein junger Dalrei, nicht älter als sechzehn Jahre, lag in atemlosem Todeskampf vor ihnen, an seiner Seite klaffte eine Wunde,
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