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Das Kind des Schattens

Titel: Das Kind des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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die eine Axt geschlagen hatte. Kim sah verzweifelt auf ihn nieder.
    »Teyrnon!« schrie Paul.
    Der Magier und seine Quelle kamen eilends herbei. Teyrnon blickte kurz auf den verwundeten Jungen, dann auf Barak und kniete sich dann neben den Dalrei nieder. Barak schloss seine Augen, und Teyrnon legte eine Hand über die gezackte Wunde. Er sprach flüsternd ein halbes Dutzend Wörter, und während er noch dabei war, begann sich die Wunde langsam zu schließen. Aber als er fertig war, brach Barak fast zusammen. Erschöpfung stand wie eingeätzt in seinen Gesichtszügen. Teyrnon erhob sich schnell und richtete seine Quelle wieder auf.
    »Ich kann nicht mehr viel von diesen Dingen tun«, bedauerte der Magier grimmig und blickte geradewegs auf Barak.
    »Doch, du kannst!« schnappte Barak zurück und starrte ihn an. »Wer sonst noch, Seherin, wer braucht uns sonst noch?«
    »Geht zu Jaelle«, bat Kim tonlos. »Sie wird euch diejenigen zeigen, denen es am schlechtesten geht. Tut, was ihr könnt, aber achtet darauf, euch nicht zu sehr zu erschöpfen. Außer euch beiden haben wir nichts mehr, was die Magie betrifft.«
    Teyrnon nickte kurz und ging zu der Stelle hinüber, wo Paul die Hohepriesterin sehen konnte. Sie hatte die Ärmel ihres weißen Gewandes zurückgeschoben und kniete neben einem zusammengekrümmten Lios Alfar.
    Paul wandte sich wieder zu Kim. »Und deine Magie?« fragte er und deutete auf den glanzlosen Kriegsstein. »Was ist geschehen?«
    Einen Augenblick lang zögerte sie, dann erzählte sie ihm rasch den Ablauf der Geschehnisse am Calor Diman. »Ich habe es abgelehnt«, schloss sie ihre Erzählung, »und jetzt haben die Schwäne den Himmel für sich, und der Baelrath ist vollkommen tot. Ich fühle mich krank, Paul.«
    Ihm ging es nicht anders, aber er ließ es sich nicht anmerken und zog sie in einer heftigen Umarmung an sich. Er fühlte, wie sie in seiner Umarmung zitterte.
    Paul sagte: »Keiner hier oder anderswo hat so viel wie du getan. Und wir wissen nicht, ob das, was du tatest, falsch war … wärest du dann rechtzeitig zu den Zwergen gekommen, wenn du den Ring benutzt hättest, um das Wesen im See zu binden? Es ist noch nicht vorbei, Kim. Es ist noch lange nicht vorbei.«
    Sie hörte ein schmerzvolles Stöhnen in nächster Nähe. Vier Auberei setzten eine Trage nieder, die sie heraufgebracht hatten. Auf ihr lag Mabon von Rhoden, der aus einem halben Dutzend frischer Wunden blutete. Loren Silbermantel und Sharra von Cathal mit weißem Gesicht eilten an die Seite des gefallenen Herzogs.
    Paul wusste nicht, wohin er blicken sollte. Überall um sie her lagen die Sterbenden und die Toten. Auf dem Schlachtfeld unten schienen sich die Streitkräfte der Finsternis kaum vermindert zu haben. In sich fühlte er den Pulsschlag Mörnirs so schwach wie immer, schwach und quälend fern. Höchstens eine Andeutung, keineswegs ein Versprechen, ein Bewusstsein, aber keine Macht.
    Wie Barak fluchte er laut in seiner Hilflosigkeit.
    Kim sah ihn an, und einen Augenblick später erklärte sie mit seltsamer Stimme: »Ich habe gerade etwas erkannt. Du hasst dich selbst, weil du nicht imstande bist, deine Kraft im Kampf zu gebrauchen. Aber du hast keine Macht im Krieg, Paul. Das hätten wir vorher erkennen sollen. Ich aber habe diese Art der Macht, oder ich hatte sie bis gestern Nacht. Du bist etwas anderes.«
    Da hörte er nun eine Wahrheit, aber die Bitterkeit verließ ihn dennoch nicht.
    »Wunderbar«, schnappte er. »Das macht mich schon sehr nützlich, nicht?«
    »Vielleicht«, war alles, was sie erwiderte. Aber in ihren Augen war eine stille Überlegung, die ihn beruhigte.
    »Wo ist Jen?« fragte er. Sie zeigte mit dem Finger, und er beobachtete, wie auch Jennifer sich nach bestem Vermögen um die Verwundeten kümmerte. In diesem Augenblick hatte sie sich gerade von der Seite eines Verwundeten erhoben, um ein paar Schritte nach Norden zu gehen und auf das Schlachtfeld hinabzusehen. Er konnte sie nur im Profil sehen, aber als er auf sie blickte, wurde ihm bewusst, dass ihm noch nie eine Frau begegnet war, die so aussah wie sie, die so aussah, als nähme sie den Schmerz aller Welten auf sich. Sie tat es nach der Art einer Königin.
    Und er wusste nicht, weswegen er dann plötzlich seine Augen nach oben richtete. Und er gewahrte einen schwarzen Schwan im Sturzflug herabgleiten. Lautlos, ein Schrecken gegen den Himmel, mit Klauen wie Rasierklingen, die direkt nach Jennifer ausgestreckt waren. Es war die schwarze Avaia, die

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