Das Kind des Schattens
gerettet. Und trotzdem und obwohl sie den Vellin trug, verspürte sie den Schrecken, der ihren Geist wie mit den schnellen Schwingen von Nachtfaltern streifte. Die beiden Männer und der Zwerg trugen keine grünen Vellinarmreifen, um sich zu schützen, sie hörten auch keine inneren Stimmen, die ihnen Sicherheit verliehen hätten, und doch äußerte keiner von ihnen einen Laut, und keiner fiel im Schritt zurück. Ihr Mut demütigte sie, sie fühlte, wie ihr Herz nun entschlossen aufloderte, und gleichzeitig brannte auch der Baelrath heller auf ihrem Finger. Sie beschleunigte ihren Schritt und überholte Dalreidan. Sie hatte sie an diesen Ort gebracht, und es war ein Ort, den kein Mensch jemals betreten sollte. Nun war sie an der Reihe, die Führung zu übernehmen, denn der Kriegsstein wusste den Weg.
Fast zwei Stunden gingen sie in der immer dichter werdenden Dunkelheit. Der Abend war hereingebrochen, und die Sterne des Sommerhimmels glänzten, als Kim Rauch und das ferne Flackern von Lagerfeuern sah und das raue Gelächter der Svart Alfar hörte. Und mit dem hässlichen Spott, der in diesem Klang lag, waren alle Ängste, die sie bis hierher begleitet hatten, plötzlich verschwunden. Sie war angekommen, und der Feind vor ihr war bekannt und verhaßt, und in den Höhlen jenseits dieser steinernen Bergrücken waren die Riesen gefangen und lagen im Sterben.
Sie drehte sich um und sah im Sternenlicht und im Glanz ihres Rings, dass die Gesichter der Gefährten angespannt waren, aber nicht durch die Anstrengung, sondern aus Erwartung. Leise löste Brock die Axt aus der Halterung, und Faebur legte einen Pfeil in seinen Bogen. Sie wandte sich Dalreidan zu. Er hatte sein Schwert nicht gezogen und seinen Bogen noch nicht zur Hand. »Wir haben genug Zeit«, flüsterte er als Antwort auf ihre unausgesprochene Frage. Es war kaum ein Lufthauch im Dunkel der Nacht. »Soll ich einen Platz für uns finden, von wo wir besser sehen können?«
Sie nickte. Ruhig und schweigend ging er wieder an ihr vorbei und suchte seinen Weg zwischen den verstreuten Findlingen und den losen Felsblöcken, immer in Richtung auf das Feuer und das Gelächter. Augenblicke später lagen die vier flach auf einem Plateau. Durch aufgerichtete Felszacken geschützt, blickten sie nach unten, angewidert von dem Bild, das sich ihnen im Licht der Lagerfeuer bot.
Eingehauen in den Berg waren zwei Höhlen mit hochgewölbtem Eingang und Runen, die über den Bögen eingeritzt waren. In den Höhlen war es dunkel, und sie konnten nicht hineinsehen, aber wenn sie sich bemühten, an dem Gelächter der Svart Alfar vorbeizuhören, konnten sie den Klang einer einzelnen tiefen Stimme unterscheiden, die langsam sang.
Das Licht kam von zwei großen Feuern auf dem Plateau, die unmittelbar vor den Höhlen so platziert waren, dass ihr Rauch nach innen gezogen wurde. Unmittelbar hinter dem Grat östlich von ihnen brannte ein weiteres Feuer, und Kim konnte das Glühen und den aufsteigenden Rauch eines vierten im Nordosten erkennen, etwa eine Viertelmeile entfernt. Sonst waren keine mehr zu sehen. Es waren also vier Höhlen, vier Gruppen von Gefangenen, die von Hunger und Rauch starben.
Und vier Banden von Svart Alfar. Um jedes Feuer unter ihnen waren etwa dreißig Svarts versammelt, und auch eine Handvoll von den scheußlichen Urgach waren zugegen. Dann waren es also an die hundertfünfzig, wenn auf der anderen Seite des Grates die Zahlen auch zutrafen. Das war nun wirklich keine große Streitmacht, aber mehr als genug, so wusste sie, um die Paraiko, deren Friedensliebe das wahre Wesen ihrer Existenz war, zu unterwerfen und festzuhalten. Unter der Führung der Urgach brauchten die Svarts weiter nichts zu tun, als das Feuer zu unterhalten und kein Blut zu vergießen, dann konnten sie ihre Belohnung einfordern.
Und das geschah gerade jetzt, als sie zuschaute. Auf jedem der Scheiterhaufen da unten lag der verkohlte und geschwärzte Körper eines Paraiko. Alle paar Augenblicke schnellte einer der Svart Alfar zu den prasselnden Flammen, stieß ein Schwert hinein und schnitt ein Stück geröstetes Fleisch für sich ab.
Das war die Belohnung. Kims Magen kehrte sich um vor Ekel, und sie musste die Augen schließen. Es war eine teuflische Szene, eine Schändung im tiefsten und schlimmsten Sinn. Neben sich konnte sie hören, wie Brock in ständiger bitterer und tief empfundener Beschwörung leise fluchte.
Sinnlos waren diese Worte, auch wenn sie vielleicht eine klägliche Linderung
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