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Das Kind des Schattens

Titel: Das Kind des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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gewährten. Und der Fluch der Paraiko selbst, der jeden sofort getötet hätte, sobald er ausgesprochen war, war verhindert worden. Zu klug war Rakoth, zu perfekt in der Gestaltung des Bösen, zu geübt waren seine Helfer, als dass sie die Freisetzung des Blutfluches zugelassen hätten. Und das hieß, dass eine andere Art der Kraft angerufen werden musste. Und deshalb war sie nun hier, angezogen von einem Rettungslied und der Bürde eines prophetischen Traumes. Aber was in des Webers Namen sollte sie nun tun, drei Männer hatte sie bei sich, drei Männer nur, so mutig diese auch sein mochten. Von dem Augenblick an, als sie mit Brock von Morvran aufgebrochen war, konzentrierte sich all ihr Denken auf dieses Plateau, sie wusste, dass sie es erreichen musste, und hatte bis jetzt keinen Gedanken darauf verschwendet, was sie nach ihrer Ankunft da oben eigentlich tun solle.
    Dalreidan berührte ihren Ellenbogen. »Schau«, flüsterte er. Sie öffnete ihre Augen, er blickte nicht auf die Höhlen oder die Feuer oder die Bergrücken mit dem Rauch dahinter. Widerstrebend wie immer folgte sie seinem Blick auf den Ring, den sie trug, und sie sah, dass der Baelrath heftig flammte. Mit echtem Kummer bemerkte sie, dass das Feuer im Herzen des Kriegssteines irgendwie mit der Farbe und Form der Feuer da unten gekoppelt war.
    Das war zutiefst beunruhigend, aber hatte der Ring, den sie trug, jemals etwas Beruhigendes oder Angenehmes an sich gehabt? Alles, was sie bisher mit dem Baelrath getan hatte, war mit Schmerzen verbunden. In seinen Tiefen hatte sie Jennifer in Starkadh gesehen und schreiend zu einem Übergang von Fionavar in ihre alte Heimat verholfen. Gegen seinen Willen hatte sie in Stonehenge einen toten König auferweckt. Auf dem Gipfel des Glastonburytor hatte sie Arthur von neuem zu bitterem Krieg und Leiden heraufbeschworen. Sie hatte in jener Nacht, als Finn den Längsten Weg einschlug, die Schläfer bei Pendaran befreit. Sie war es, welche die Beschwörungen sprach, ein Kriegsschrei in der Dunkelheit war sie, eine Krähe im Sturm, ja, ja wirklich, eines sich zusammenbrauenden Unwetters. Sie war es, welche die Kräfte sammelte, wirklich, sie war es, welche die Beschwörungen sprach. Sie war …
    Sie war die Beschwörerin.
    Ein Schrei ertönte da unten, gefolgt von rohem Gelächter. Ein Urgach hatte zum Spaß einen Svart Alfar, einen von den kleineren grünen, ins lodernde Feuer geworfen. Sie sah es und registrierte es kaum. Ihre Augen kehrten zurück zum Stein, zu der Flamme, die in seinen Tiefen lag, und in ihm las sie einen Namen, es war derselbe Name, den sie in ihrem Traum auf dem Gesicht des Mondes hatte geschrieben gesehen. Sie las ihn, und sie erinnerte sich dann, wie der Baelrath in jener Nacht, als Danas roter Vollmond durch den Himmel über Paras Derval gezogen war, wie zur Antwort hell aufgeflammt war.
    Sie war eine Beschwörerin, und jetzt wusste sie, was sie zu tun hatte, denn mit dem Namen, der im Ring geschrieben war, hatte sie ein Wissen erhalten, das sie im Traum nicht gefunden hatte. Sie wusste jetzt, wer es war und was der Preis für ihre Anrufung sein würde. Aber sie war hier in Kath Meigol in einer Zeit des Krieges, und die Paraiko starben in ihren Höhlen. Ihr Herz konnte sie nicht verhärten, es war zuviel Mitleid dort, aber ihren Willen konnte sie stählen, um das zu tun, was getan werden musste, und um den Gram ein weiteres Mal auf sich zu nehmen.
    Wieder schloss sie ihre Augen. Im Dunkeln war es leichter, es war fast eine Möglichkeit, sich zu verstecken. Fast, aber nicht wirklich. Sie holte Atem und sagte dann nicht laut, sondern nur im Geiste: Imraith – Nimphais.
    Dann führte sie ihre Gefährten wieder zurück, fort von den Feuern, sie sollten auf sie warten, und sie wusste, dass es nicht lange dauern würde.
     
    Tabor musste nicht bis zum Ende der Nacht wachen, und deshalb war er eingeschlafen. Aber das war vorbei. Sie war im Himmel über dem Lager, und sie hatte seinen Namen gerufen, und zum ersten Mal seit jeher konnte er Angst in ihr hören.
    Er war sofort hellwach und zog sich an, so schnell er konnte. Warte, übermittelte er ihr. Ich möchte sie nicht erschrecken. Ich will dich auf der Ebene treffen.
    Nein, vernahm er. Sie war wirklich voller Angst. Komm sofort. Es ist dringend.
    Sie kam herab, gerade als er nach draußen ging. Er war verwirrt und selbst ein wenig ängstlich, denn er hatte sie nicht herbeigerufen, und trotzdem hob sich sein Herz, als sie niederschwebte und er ihre

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