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Das Kind des Schattens

Titel: Das Kind des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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innegehalten und seine Belohnung dort empfangen, nämlich den nie zuvor gesehenen Plan von Maugrims Rache gegen die Lios Alfar für das, was sie waren: der Seelenverkäufer im Meer. Und dieser Entwurf sah vor: Warten auf die Lios, wenn sie auf der Suche nach einer verheißenen Welt gen Westen segeln würden, ihre Vernichtung einzeln und in Paaren, den Raub ihrer Stimmen und Gesänge als Köder für die, welche ihnen folgten. Für alle, die ihnen folgten.
    Der Plan war perfekt, ja jenseits von Perfektion. Es war eine Bosheit, die das innerste Wesen der Kinder des Lichts benutzte, um sie ins Verderben zu stoßen. Ihm selbst wäre es nie gelungen, ein so schreckliches Geschöpf in seinen Dienst zu nehmen, Galadan wusste es. Und trotz all seiner Tücke wäre er niemals auch nur auf den Gedanken gekommen, etwas so Umfassendes in die Wege zu leiten. Dieser Entwurf war unter anderem auch ein Hinweis darauf, was Rakoth, nun wieder frei, zu tun in der Lage war.
    Es war aber auch eine Belohnung, und eine, die mit den Lios Alfar überhaupt nichts zu tun hatte.
    Die Vision in seinem Geist war klar gewesen: Rakoth hatte sie deutlich gemacht. Er hatte den Seelenverkäufer lebhaft gesehen: seine Größe und Farbe, den hässlichen flachen Kopf. Er konnte das Singen hören, konnte die lidlosen Augen sehen … und den Stab, den weißen Stab, der sinnlos zwischen diesen Augen eingebettet lag.
    Es war der Stab von Amairgen Weißast. Und so erfuhr er nun erst, wie jener gestorben war. Er hatte keine Freude daran, Freude würde es für ihn nie wieder geben, er hatte dazu keinen Zugang. Aber an jenem Tag hatte ihn vor den offenen Toren von Starkadh ein Gefühl der Erleichterung überkommen, eine gewisse Ruhe, und das war das Äußerste, was er überhaupt empfinden konnte.
     
    Und jetzt, allein auf der Ebene, bemühte er sich, das Bild dieses Entwurfes wieder heraufzubeschwören, fand es jedoch trübe und unbefriedigend. Er schüttelte den Kopf. Zuviel geschah in dieser Zeit. Die Folgen von Oweins Rückkehr mit der Wilden Jagd waren ungeheuer. Er musste einen Weg finden, um sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Er wusste jedoch, dass er sich zuerst mit diesem anderen befassen musste, dieser Intuition aus dem Reich des Waldes, die tiefer reichte, als irgend etwas anderes. Ihretwegen hatte er angehalten. Er brauchte Ruhe, damit jenes Ereignis, was immer es war, vom Rande seiner Aufmerksamkeit ins Zentrum gleiten und dort sichtbar werden könne. Einen Augenblick lang dachte er, es sei sein Vater, was durchaus möglich gewesen wäre. Niemals wagte er sich in Cernans Nähe, und niemals hatte sein Vater seit jener Nacht vor dem Bael Rangat versucht, mit ihm Kontakt aufzunehmen. Aber die Empfindung dieses Morgens war sehr intensiv, sie war so geladen mit Obertönen und lange vergessenen Gefühlen, dass er glaubte, Cernan hatte ihn gerufen. Irgendwie gehörte ja auch das Reich des Waldes dazu. Es hatte …
    Und in diesem Augenblick wusste er bereits, was es war. Nein, es war schließlich doch nicht sein Vater. Aber mit einem Male war die Intensität des Erlebens erklärt und mehr als erklärt. Mit einem Gesichtsausdruck, den noch nie ein menschliches Wesen hatte sehen dürfen, sprang Galadan vom Rücken des Slaug. Er legte seine Hand auf die Brust und schlug ein Zeichen. Einen Augenblick später rannte er in seiner Wolfsgestalt durch die Ebene, seine Geschwindigkeit war schneller, als die des Slaug jemals hätte sein können, er rannte so schnell er konnte nach Westen, vergessen war die Schlacht, der Krieg, fast vergessen.
    Nach Westen, wo die Lichter brannten und jemand im Raum stand, in jenem Raum, der einst Lisen gehört hatte.

 
Kapitel 3
     
    Den ganzen Morgen waren sie bergan gestiegen, und der Schmerz in Kims Seite, wo Ceriog sie getreten hatte, wurde durch den rauen Fußmarsch nicht gelindert. Aber sie schwieg und marschierte weiter. Sie hielt den Kopf gesenkt und beobachtete ‚den Weg und die langen Beine von Faebur, der vor ihr kletterte. Dalreidan führte sie an. Brock, der sicher noch mehr Schmerzen empfand als sie, bildete die Nachhut. Keiner von ihnen sprach. Der Pfad war schwierig genug, auch wenn man den Atem nicht aufs Reden verschwendete, und es gab ja auch nicht viel zu sagen.
    Im Lager der Ausgestoßenen, nicht fern von dem Felsplateau, wo sie gefangen worden waren, hatte sie die Nacht zuvor wieder geträumt. Ruanas tiefes Singen rann durch ihren Schlaf. Es war wunderschön, und doch fand sie in dieser Schönheit keinen Trost

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