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Das Kind

Titel: Das Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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fokussierten seine schläfrigen Au gen zwei Regentropfen, die sich wie Tränen auf der getönten Scheibe des Fensters wölbten. Dann sah er nach draußen. Eine akkurat geschnittene Hecke zog an ihm vorbei, hinter der sich ein mit feuchtwelkem Laub bedeckter Wiesenhügel sanft nach oben streckte.
Die Sicht wurde besser, als Borchert die Geschwindigkeit nochmals drosselte. Simon löste sich aus Carinas Umarmung und presste seine verschwitzte Handfl äche gegen die kalte Scheibe. An den Hügel vor ihm konnte er sich nicht erinnern. Aber die sandsteinfarbene Kirche hatte er schon mal gesehen. Sie sah genauso aus wie die auf seiner Zeichnung am Krankenhausfenster.
18.
D as glaub ich jetzt nicht.«
Borchert lachte und fi ng sich damit den bösen Blick einer Angehörigen des Trauerzugs ein. Er streckte der Dame mit der streng gescheitelten schwarzen Kurzhaarfrisur die Zunge raus und feixte, als sie sich empört wieder nach vorne umdrehte.
»Also echt, dieser Tag geht wirklich in die Annalen ein.« Auch Stern musste zugeben, dass die Situation einer gewissen Komik nicht entbehrte.
Als sie vor zehn Minuten die Sandsteinkirche betraten, hatten sie zuerst ihren Augen und Ohren nicht trauen wollen. Hinter einem schmucklosen protestantischen Altar stand ein Mann mit kurzgeschnittenen Haaren und freundlich
funkelnden Augen. Der Pfarrer trug keine geistlichen Gewänder, sondern einen dunkelblauen Westenanzug. Statt einer Krawatte hing ihm ein grüner Schal über die Schultern, und die Tatsache, dass dieser vorne etwas hilfl os zusammengeknotet wirkte, machte ihn irgendwie sympathisch. Genau wie die Trauerrede, die er hielt. Er ließ sich gerade über die Angewohnheit des Toten aus, sich bei seinen zahlreichen Waldspaziergängen in Wildschweinkot zu wälzen. Zum Beweis hielt er ein überlebensgroßes Foto des Verstorbenen in die Trauergemeinde. Die überwiegend weiblichen Zuhörer bestaunten wehmütig den rotbraunen Basset, der zu Lebzeiten mindestens dreißig Kilo gewogen haben musste.
Ökumenischer Tiergottesdienst mit Pfarrer Ahrendt. Jeden
vierten Samstag im Monat, verriet ein Anschlag an der Kir chentür, der so angebracht war, dass sie ihn erst lesen konnten, als sie beim Hinausgehen der Gruppe folgten. Im Augenblick marschierten sie hinter der Kirche auf einer grob geschotterten Forststraße durch den Nieselregen, und Stern verfl uchte sich nicht zum ersten Mal, dass er keinen Regenschirm dabeihatte. Sein Hemd klebte feucht auf seiner Brust, als hätte er es direkt nach der Wäsche angezogen. Wenn es so weiterging, würde er sich wie Simon eine Lungenentzündung einfangen. Zum Glück war der Kleine bei Carina im warmen Auto geblieben.
»Ich fasse es nicht.« Andis Lachen klang, als würde er versuchen, eine verschluckte Fischgräte auszuhusten. »Die tragen das fette Vieh doch tatsächlich in einem Holzsarg vor sich her.«
»Ist doch okay. So was Ähnliches hab ich mit meinem ersten Hund auch gemacht.«
»Du spinnst.«
»Wieso? Damals war ich so alt wie Simon und froh, dass mein Vater diesen Abschied für mich organisiert hat. Wir begruben ihn allerdings im Garten und nicht wie hier auf einem richtigen Friedhof.«
Sie näherten sich einem windschiefen Jägerzaun, der das offi zielle Gemeindegrundstück von dem privaten Gelände des Tierheims abtrennte.
Stern ging einen Schritt schneller und schloss zu dem ungewöhnlichen Pfarrer auf. Der hielt für seine Gäste die hüfthohe Gartentür auf und begrüßte auch Robert mit Handschlag und einem offenen Lächeln. Angesichts seiner verklebten Prothese wäre es Stern fast lieber gewesen, der Mann hätte nicht so freundlich dreingeschaut. »Entschuldigen Sie bitte vielmals. Geht es hier entlang auch zum offi ziellen Friedhof?«
»Ach, Sie gehören gar nicht zu Hannibals Angehörigen?«, fragte Ahrendt erstaunt.
»Leider nein. Wir suchen hier eine Ruhestätte für, ähh, nun, für Menschen.« Stern fühlte sich wie ein schlechter Lügner, obwohl er doch gar nichts Falsches sagte. »Da muss ich Sie enttäuschen. Das Tierheim hat dieses Gelände bei uns gepachtet. Um die Aufl agen für eine menschliche Ruhestätte zu erfüllen, fehlt unserer Gemeinde das Geld. Da müssen Sie schon in den nächsten Ort fahren.« »Verstehe.«
Stern sah dem Pfarrer nach, der sich entschuldigt hatte und nun zu seiner Trauergemeinde watschelte, die in der hintersten Ecke des Grundstückes neben einem großen Rhododendronbusch auf ihn wartete.
Borchert schüttelte den Kopf über den letzten Satz des

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