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Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Titel: Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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Oberlandesgerichte. Mir ist jetzt noch schlecht.«
    Er verteilte die Teebeutel in drei Becher, von denen bei zweien der Henkel fehlte.
    »Weiter«, sagte ich.
    Kevin lächelte. »Vorher müssten wir die Bedingungen meines
Wiedereintrittes in die Kanzlei klären. Praktikantenstelle bis Semesterbeginn und Erhöhung der Bezüge von null auf vierhundert Euro. Cosi fan tutte.«
    »Hör mal, du sensibler Feingeist. Ich habe kein Geld.«
    Marie-Luise nahm den pfeifenden Wasserkessel vom Herd und goss ein. »Das wusstest du genau, als du hier angefangen hast. Wir wissen aber nicht, ob deine Informationen tatsächlich noch drei Mal vierhundert Euro wert sind.«
    Ich nickte ihr zu.
    »Tja.« Kevin hielt das Blatt an die Flamme des Gasherdes. »Dann adieu, Natalja Tscherednitschenkowa. Friede ihrer Asche.«
    Marie-Luise schaltete den Gasherd ab. »Du weißt nicht, was du sagst«, erwiderte sie leise.
    Kevin zog das Blatt zurück. Einen Moment lang sah er so aus, als ob er sich entschuldigen wollte. Dann hob er die Schultern. »Ich muss auch sehen, wo ich bleibe.«
    Marie-Luise verschränkte die Arme vor der Brust. »Was ich sehe, ist, dass ihr beide euch hervorragend ergänzt. Wie wäre es, wenn Joachim dich zu seinem persönlichen Assistenten ernennt? Die Intention eures erfolgsorientierten Profitdenkens deckt sich hundertprozentig.«
    Kevin wandte sich an mich, aber ich wollte die Unterhaltung jetzt auf den Punkt bringen. »Ich finde, er sollte die Karten auf den Tisch legen. Dann beraten wir, was es wert ist. Zur Disposition stand meines Erachtens – korrigiert mich, wenn ich irre – die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand, nicht mehr. Darüber können wir reden. Aber nicht über Erpressung.«
    »Okay, okay.«
    Kevin setzte sich an den Tisch. Aus seiner Brusttasche holte er einen Zettel mit handschriftlichen Notizen hervor. »Natalja Tscherednitschenkowa wurde wegen Vergehens nach § 2 des Heimtückegesetzes sowie § 5 Absatz 1 der Kriegssonderstrafrechtsverordnung
zum Tode verurteilt. Mit Änderung der Zuständigkeitsverordnung vom 29.1.1943 ging die Abstrafungszuständigkeit nach § 5 der Kriegssonderstrafrechtsverordnung von den Sondergerichten auf den Volksgerichtshof über, der sie dann vor den Hochverratssenat brachte.«
    Er sah kurz hoch.
    »Und? Weshalb wurde sie verurteilt?«, fragte ich.
    »Sie hat ein Kreuz geklaut.«
    Er reichte mir das Blatt hinüber. Es war ein Mikrofilmauszug aus dem Berlin Document Centre. Darauf hätte ich auch allein kommen können. Allerdings stand nur das Urteil darauf, nicht die Urteilsbegründung.
    »Zeig her.« Marie-Luise nahm das Blatt und las es durch. »Ein Kreuz?«
    »Sie durfte die Kirche nicht besuchen. Ihr eigenes hatte man ihr im Lager abgenommen. Sie behauptet, das Kreuz hätte sie von ihrem Dienstherrn, einem …«, er sah wieder auf den Zettel, »Wilhelm von Zernikow bekommen. Dumm ist nur, dass Wilhelm von Zernikow zu diesem Zeitpunkt bereits als vermisst galt. Es war ein Schmuckstück aus Gold, das um den Hals getragen wurde.«
    Marie-Luise wendete das Blatt. »Wer hat die Anzeige erstattet? «
    »Anonym«, antwortete Kevin. »Die Staatspolizei – die Gestapo – bekam den Tipp, durchsuchte ihr Zimmer, fand das Kreuz und nahm sie gleich mit. Bliebe noch zu erwähnen, dass es sich bei dem Schmuck um ein Museumsstück gehandelt haben soll. Klein, alt und wertvoll.«
    »Und der Sohn? Ist er irgendwo erwähnt?«, fragte ich. Kevin hob seine Teetasse.
    »Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand?«
    Wir nickten. Kevin suchte auf seinem Zettel. »Utz von Zernikow. Er hat zwar eine Aussage gemacht, aber
viel ist nicht davon übrig geblieben. Er hat wohl nur bestätigt, wie gläubig diese Frau war. Dass sie häufig gebetet hat.«
    »Die Freifrau?«
    »Wer?«, fragte Kevin.
    »Irene von Zernikow. Die Ehefrau von Wilhelm.«
    »Ach so. Sie hat den üblichen Ostarbeiter-Quatsch erzählt. Dass sie das gleich geahnt hat, aber was soll man machen, keine Arbeitskräfte, und das Kreuz hat sie nie gesehen, nicht, wo Natalja Tscherednitschenkowa es getragen, noch, wo sie es aufbewahrt hat, weil sie die Kammer eines Kindermädchens nicht betritt, weil das volkspolitisch nicht statthaft war und Kontrolle ihre Sache nicht wäre und so weiter und so fort. Sie hat ihre Hände derart in Unschuld gewaschen, dass es mich heute Vormittag noch geblendet hat.«
    »Du warst da?«
    Er nickte. »Die Originale rücken sie nicht raus. Ich durfte nur eine Kopie davon machen. Dann gab es noch eine

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