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Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Titel: Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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verrückt geworden?«, sagte Marie-Luise. »Du kannst sie nicht mitnehmen. Sie stecken doch mit drin.«
    »Nicht mehr als wir«, entgegnete ich.
    Marie-Luise hielt mich am Arm fest und hinderte mich am Einsteigen. »Was ist, wenn der Scheißer mit dem biblischen Namen und sie unter einer Decke stecken?«
    »Dann habe ich immer noch dich als Zeugin. Mach dir keine Sorgen.«
    Ich drückte ihr die Autoschlüssel in die Hand.
     
    Je weiter wir den Stadtkern verließen, umso ruhiger wurden die Straßen. Schließlich leuchteten einzig noch die Reklametafeln der Tankstellen und die S-Bahn-Stationen auf dem Weg nach Adlershof.
    Utz sah aus dem Fenster und sagte kein Wort. Vielleicht dachte er an Natalja, vielleicht aber auch an Sigrun. Ich wusste, dass sie ein einziger Satz ihres Vaters mehr getroffen hatte als alle Geständnisse zuvor. Du hättest nicht in die Politik gehen sollen. Es war ihr Versagen, ihr schwarzer Fleck, dass sie in diesem Punkt die Erwartungen ihres Vaters enttäuscht hatte. Während des Jurastudiums war eine Weile davon die Rede gewesen, dass sie eines Tages die Kanzlei übernehmen würde. Utz war nie einverstanden gewesen, dass sie einen anderen Weg eingeschlagen hatte.
    »Milla«, sagte Utz in unser Schweigen, »ihre Tochter, was ist mit ihr?«
    »Sie hatte einen Unfall. Ich bin überzeugt, dass Aaron sie absichtlich angefahren hat. Gott sei Dank befindet sie sich auf dem Weg der Besserung. Sie haben sie aus der Intensivstation entlassen und auf die normale verlegt. Von dort ist sie heute Abend verschwunden.«

    Hoffentlich hatte sie niemand mit einem dunklen Wagen abgeholt. »Ist sie in Gefahr?« Sein Gesicht lag im Schatten. Nur wenn wir an einer Laterne vorbeifuhren, geisterte ein Streifen Licht durch den Wagen.
    »Ich fürchte, ja.«
    Utz schloss die Augen und schwieg. Im Radio lief leise klassische Musik. Ab und zu blickte Sigrun in den Rückspiegel. Sie vermied es dabei, mich anzusehen. Ich bezweifelte, dass dieser Abend sie zu einer besseren Politikerin machen würde. Sie hatte nur ihre taktischen Fähigkeiten verbessert.
    »Ich glaube, wir werden verfolgt«, sagte sie nach einer Weile.
    Utz und ich drehten uns um. Weit hinter uns fuhr ein Wagen. Die Scheinwerfer blendeten, so dass man nicht erkennen konnte, um welches Fabrikat es sich handelte oder wer am Steuer saß. Sigrun fuhr in die nächste Tankstelle. In diesem Moment preschten zwei Autos von der anderen Seite an die Zapfsäulen und versperrten uns die Sicht auf die Straße. Junge Leute stiegen aus und lachten. Laute Musik drang aus den geöffneten Wagentüren. Sigrun fädelte sich an ihnen vorbei und trat dann so heftig aufs Gas, dass der schwere Wagen schaukelnd über die Bordsteinkante direkt auf die Straße schoss. Niemand war hinter uns. Er hätte es nicht überlebt.
    Nach einer Viertelstunde erreichten wir Grünau und fuhren langsam die Regattastraße hinunter.
    »Jetzt nach links«, sagte Utz. »Ich erkenne hier alles wieder.«
    Wir stellten den Jaguar ein Stück entfernt an einem Spielplatz ab, direkt hinter einem großen Lkw, so dass ihn von der Hauptstraße aus niemand erkennen konnte. Utz ging hinunter ans Seeufer und betrachtete das Wasser. Alles war ruhig. Auf der anderen Seite des Sees lagen die Fähre und das Lastschiff angedockt am Kai. Dieses Mal musste es ohne die Hilfe der BVG gehen.
    »Wollen wir?«, fragte ich. Utz nickte.
    Ich stieg zuerst ins Wasser. Dann half ich Sigrun, schließlich
stützten wir beide Utz. Dieses Mal war keine Grillparty in der Nähe. Wir hielten uns nahe am Ufer und wateten so leise wie möglich auf das Grundstück zu. Das Loch im Zaun war noch genauso laienhaft geschlossen, wie Marie-Luise und ich es zurückgelassen hatten. Wir zwängten uns hindurch und schlichen ans trockene Ufer.
    Utz blieb mitten auf dem wild wuchernden Rasen stehen und betrachtete die Bäume.
    »Hierher«, sagte er leise. Er ging auf eine Gruppe Eichen zu, die am rechten Rand des Grundstückes standen. Es waren alte, hohe Bäume. Fünf oder sechs an der Zahl. Utz trat auf dem Boden herum und ging schließlich in die Hocke.
    »Kannst du mal leuchten?«, bat er mich.
    Ich holte die Taschenlampe heraus und richtete den Strahl auf den Boden.
    Utz grub, aber schon nach einer dünnen Schicht Erde stieß er auf Metall.
    »Wenn ihr mir helft, geht es schneller.«
    Ich legte die Taschenlampe ins Gras. Sigrun und ich buddelten.
    »Was ist das?«, fragte ich.
    »Eine Tür«, antwortete Utz. »Der zweite Eingang zum Keller. Das

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