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Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Titel: Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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gebacken. Extra für dich.«
    Frau Huth nickte milde.
    »Komm. Ein Stück.«
    Ich setzte mich wieder auf die Stricknadel. Frau Huth holte unter der Couch eine Tupperware-Dose hervor und öffnete sie. Der Anblick hätte zartere Gemüter augenblicklich ins Jenseits befördert. Vermutlich war es in Marthas Fall der Kuchen und nicht der Kaffee gewesen.
    »Wie ist denn das passiert?«
    Beide Frauen beugten die Köpfe über die Dose. Der Apfelkuchen war gerade dabei, den Aggregatzustand zu wechseln. Frau Huth fuhr hoch und blickte mich vorwurfsvoll an. »Schließlich wollten Sie schon letzte Woche kommen.«
    Meine Mutter kratzte auf dem Schimmel herum. »Vielleicht, wenn man ihn abnimmt …«
    »Grete!«, empörte sich Frau Huth. Nun stahl sich doch etwas von haushälterischem Ehrgefühl in ihre Haltung. »Der kommt weg!«
    »Ich muss sowieso gehen«, sagte ich. »Danke für den Kaffee.«
    »Aber wir haben noch Kekse«, meinte meine Mutter schwach. Ich nahm sie zum Abschied in den Arm. Sie war dünn geworden. Kein Wunder, wenn der Kuchen nicht gegessen wurde, sondern unter der Couch verschimmelte.
    »Wie geht es deiner Freundin?«, fragte sie.
    Sie konnte Sigrun einfach nicht mit ihrem Namen anreden. »Sie hat viel zu tun. Wahlkampf.«
    »Ihr beide habt immer viel zu tun.« Sie sah mir nachdenklich in die Augen. »Arbeitet nicht so viel. Ihr seid doch noch jung. In dem Alter soll man das Leben genießen. Ach!«
    Sie griff mir ins Haar. Es ziepte fürchterlich. Mutter lächelte. »Schon wieder ein graues Haar. Ich lege es zu deiner ersten Locke. Und dem Milchzahn. Die Zeit, es ist unglaublich.«

    Ich nahm sie noch einmal in den Arm. »Ist alles in Ordnung? «
    Sie nickte. »Ja. Geh nur. Mach dir keine Sorgen.«
    Ich versprach ihr, in den nächsten Tagen anzurufen, um den Bridge-Ausflug zu organisieren. Das schien sie zu freuen. Noch mehr freute sie sich offenbar, dass ich extra in die Küche ging, um Hüthchen auf Wiedersehen zu sagen.
    Frau Huth hatte gerade meine Kaffeetasse mit kaltem Wasser abgespült und zu dem mehr oder minder sauberen Berg Geschirr gestellt, der sich neben der Spüle türmte. Ich trat neben sie und sah sie freundlich an. »Vielen Dank für den Kaffee.«
    Sie lächelte unsicher.
    »Und in Zukunft ziehe ich Ihnen für jede nicht gespülte Tasse und jeden Krümel auf dem Teppich einen Ihrer 320 monatlichen Euro ab, die Sie hier fürs Saubermachen bekommen. Und nicht dafür, dass sich diese Wohnung in ein Biotop verwandelt. Haben wir uns verstanden?«
    Frau Huth sagte nichts, weil sie einen Keks im Mund hatte. Sie rieb sich nur hektisch die dicken Finger an ihrem Rock ab, der dadurch auch nicht sauberer wurde.
    »Und wenn ich meine Mutter das nächste Mal sehe, will ich, dass sie anständige Kleider anhat. Klar?«
    Frau Huth nickte und schluckte.
    Mutter brachte mich noch zur Tür. Ich zog die Schuhe an und kochte innerlich vor Wut. »Du musst ihr sagen, dass sie sauber machen soll. Sie wird dafür bezahlt.«
    Mutter lächelte. »Jaja.«
    »Wenn du es nicht machst, tue ich es«, drohte ich ihr. Ich war mir sicher, dass das kurze Gespräch in der Küche Frau Huths und mein kleines Geheimnis bleiben würde.
    »Nicht«, sagte Mutter. »Bitte nicht. Mach dir keine Sorgen.«
    »Brauchst du die noch?«
    Ich griff nach einem zerfledderten Exemplar der Berliner Tageszeitung,
das im Flur auf der Kommode lag. Sie war von heute und warb für »Das politische Interview« auf Seite drei.
    »Nimm ruhig. Wir haben sie schon durch.«
    Ich gab ihr noch einen flüchtigen Abschiedskuss. Im Treppenhaus hörte ich, wie sie wieder die Kette vorlegte.

7
    Einen Packen Zeitungen unterm Arm, ging ich an Harrys Zimmer vorbei. Georg, unser Mädchen für alles, arbeitete sich dort gerade durch Gesetzbücher, Lose-Blatt-Sammlungen und Aktenordner. In der Hand hielt er einen Hefter, in den er stirnrunzelnd Notizen kritzelte.
    »Was machen Sie denn hier?«
    Er fuhr herum. »Herr Vernau. Sie haben mich erschreckt. Ich muss noch eine BGH-Entscheidung für die Sache von Herrn Meinerz durchgehen.«
    »Für Montag?«
    Georg nickte. »Eben. Es ist Herrn Meinerz erst gestern Abend eingefallen.«
    Es war nicht üblich, dass so kurz vor der ersten mündlichen Verhandlung noch an der Beweisführung gearbeitet wurde. Schon gar nicht von einem Rechtsreferendar. Ich hatte das Gefühl, dass Georg es hier nicht einfach hatte. Aber er erledigte klaglos auch die seltsamsten Aufträge, die ihm normalerweise mit Vorliebe von Harry erteilt wurden.
    Sein

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